Wo geht die Reise hin?

Saarbrücken · Mit seiner „Live-Film“-Inszenierung von „Blade Runner“ feierte Autor und Regisseur Klaus Gehre im Frühjahr einen großen Erfolg in der Sparte 4. Dort hatte am Donnerstag Gehres „Titanic“ Premiere – und hinterließ einen anderen, schwächeren Eindruck. Woran liegt's?

 So lässt man Schiffe untergehen: Roman Konieczny, neben ihm Kathrin Flüs, filmt ein Modell, das als Projektion in der Sparte 4 dann leinwandfüllend wirkt. Foto: Marco Kany

So lässt man Schiffe untergehen: Roman Konieczny, neben ihm Kathrin Flüs, filmt ein Modell, das als Projektion in der Sparte 4 dann leinwandfüllend wirkt. Foto: Marco Kany

Foto: Marco Kany

Nein, abgesoffen ist diese "Titanic "-Inszenierung nicht - aber ihr Kurs schien oft zu schlingern, und am Ende wusste man nicht, wo das Stück nun eigentlich genau Anker werfen will. Vielleicht hatte Bühnenkapitän Klaus Gehre das Ganze genau so im Sinn - aber seine "Blade Runner"-Inszenierung im März dieses Jahres, ebenfalls in der Sparte 4, hat mehr Eindruck hinterlassen, stärker berührt.

Liegt es an der Vorlage? "Blade Runner" beschäftigte sich mit dem, was den Menschen ausmacht, und war bevölkert von tragischen Figuren. "Titanic " nun nennt als eine Inspirationsquelle James Camerons Film "Titanic " - eine Edelschnulze. Und da verpufft manch parodistischer Ansatz: Wenn die Inszenierung etwa die klassische Szene mit den Liebenden am Schiffsbug nachstellt und durch die offensichtliche Bühnentechnik persifliert (zugefächerte Luft soll die Meeresbrise imitieren), bleibt die Intention vage - dass die Szene im Film inszenierter Kitsch ist, weiß man schon. Und dass Kuppelshows im Fernsehen schamlos und dämlich sind, auch. Das Stück sagt es uns noch einmal, denn die drei Figuren sind Aspiranten einer RTL-Show namens "The Bachelorette": die umschwärmte Kathrin (Kathrin Flüs) und die beiden letzten Kandidaten, gespielt von Roman Konieczny und Christian Higer. Die große Entscheidung soll ein Spiel bringen: An Bord eines Schiffes spielt man Reiche - "rich, richer, the richest".

Das Trio ergeht sich in Flachsätzen, die man in solchen Shows hört, wie "Ich meine, let's do it", stellt aber auch Fragen - braucht man mehr Glück als Talent, um Erfolg zu haben? Ist die Liebe ein Spiel? Antworten findet das Trio nicht, zudem kommt beim Grübeln und Turteln der Untergang des Schiffes dazwischen, bei dem Gehre wie bei "Blade Runner" trickreich mit Miniaturen und Projektionen operiert. Die Dramatik hält sich aber in Grenzen, denn mit diesem Trio der pompösen Selbstdarsteller - von Flüs, Higer und Konieczny mit Energie gespielt - hat man als Zuschauer wenig Mitleid; viel mehr mit den unter der Wasserlinie eingepferchten Barbies und Kens. Hier, ausgerechnet mit Plastikpüppchen, gelingen der Inszenierung die eindrücklichsten, beklemmendsten Szenen; das Schicksal des Trios aus Fleisch und Blut interessiert einen da weniger, zumal die Gewissheit schwindet, ob das Schiff tatsächlich sinkt. Ist das vielleicht nur eine Inszenierung des Senders? Schließlich beginnt das Stück mit dem Off-Satz "Es geht auf Sendung".

Am Ende lässt Gehre das Geschirr der "Titanic " klirren und die Ebenen des Stücks in Scherben zerscheppern. Das kann man als großen Verfremdungseffekt begrüßen, als Entlarvung von Bühnen- und Selbstinszenierung, als postmodernes Spiel, in dem alles möglich ist. Aber ebenso darf man die Medienschelte - Fernsehen als "Schöne Welt"-Einlullung - als altbacken empfinden und die Verweise auf Flüchtlinge im etwas thesenhaft wirkenden Finale als bemüht. Das bleibt jedem Passagier dieser "Titanic " selbst überlassen.

Termine: Am heutigen Samstag (ausverkauft); 30. September, 2., 3. 11., 31. Oktober. Infos: www.sparte4.de

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