Wissen ohne Grenzen

Meinung · Als Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand, löste er eine Wissensrevolution aus. Bislang waren Bücher in mühsamer Handarbeit kopiert worden und standen aufgrund ihres immensen Wertes lediglich in den Bibliotheken von Klöstern oder den Arbeitszimmern der Mächtigen und Reichen

Als Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand, löste er eine Wissensrevolution aus. Bislang waren Bücher in mühsamer Handarbeit kopiert worden und standen aufgrund ihres immensen Wertes lediglich in den Bibliotheken von Klöstern oder den Arbeitszimmern der Mächtigen und Reichen. Seit Gutenberg konnten sie in Auflagen von Tausenden gedruckt und einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Eine ähnlich revolutionäre Sprengkraft für die Verbreitung und Zugänglichkeit von Wissen entwickelte die Internet-Enzyklopädie Wikipedia seit ihrer Einführung vor zehn Jahren.Wikipedia hat zu einer weiteren Demokratisierung von Wissen geführt. Denn nicht nur basiert die Idee darauf, dass beim Aufbau der Enzyklopädie jeder mitwirken kann, was meist zu einem hohen Grad an Verständlichkeit der Texte führt. Das Volk schreibt für das Volk. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen man Allgemeinwissen in teuren Nachschlagewerken oder verwinkelten Bibliotheken recherchierte. Wikipedia hat Nachschlagewerken wie dem Brockhaus den Rang abgelaufen, weil es nicht nur kostenfrei und schnell informiert, sondern auch stets am Puls der Zeit und schier unerschöpflich ist.

Doch genau darin liegen auch Gefahren. Es stellt sich die Frage nach der Relevanz von Themen. Welches Wissen ist wichtig und welches nicht? Zudem verwischt die Grenze zwischen Experten und Laien. Während im Brockhaus Fachleute ihr Wissen weitergeben, gilt bei Wikipedia zunächst einmal das Prinzip: Jeder darf ran. Und anstatt wissenschaftlicher Arbeiten kann schon mal ein Klatschblatt als Quelle dienen oder ein Internet-Link, der schon Wochen später nicht mehr aktuell ist. Das führt auch zur Beliebigkeit von Wissen. Die Gefahr, Halbwissen für bare Münze zu nehmen, ist groß. Denn eine wissenschaftliche Quelle ist Wikipedia (noch) nicht, auch wenn schon viele Anstrengungen unternommen wurden, die Einträge so zuverlässig wie möglich zu machen.

Das führt unweigerlich zu einer Schlussfolgerung, die im Internet so oft gilt: Wikipedia macht Wissen schnell, aktuell und für jedermann zugänglich, enthebt den Nutzer aber nicht der Pflicht, kritisch zu hinterfragen. Fakten per Mausklick ersetzen eben keine Bildung.

Wo grenzenlose Möglichkeiten bestehen, kann grenzenlos Schindluder getrieben werden. Dennoch ist Wikipedia eine bahnbrechende Erfindung, deren Weiterentwicklung eine Aufgabe für die Zukunft ist. Das Volkswissen von morgen steht im Internet - und nicht nur zwischen zwei Buchdeckeln.

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