Wirtschaftsspionage wird unterschätzt

Saarbrücken · Es sind nicht nur die raffinierten Methoden der amerikanischen Spionage-Behörde NSA, die Unternehmen in Deutschland bedrohen. Wirtschaftsspionage ist allgegenwärtig, warnt die IHK im Saarland.

Wirtschaftsspionage ist angesichts der zunehmenden Digitalisierung auf dem Vormarsch. Mehr als die Hälfte aller Firmen in Deutschland wird einmal im Monat von Wirtschaftsspionen angegriffen, sagt Helmut Albert, Direktor des Landesamtes für Verfassungsschutz im Saarland. Auch saarländische Firmen seien davon betroffen. "Das ist ein Thema, das noch sehr unterschätzt wird", meint Heike Cloß, Justiziarin bei der saarländischen Industrie- und Handelskammer (IHK). Dabei käme es im Tagesgeschäft der Unternehmen immer wieder vor. Industrieunternehmen mit neuen Entwicklungen stünden dabei ebenso im Fokus wie Dienstleister, bei denen beispielsweise Konkurrenten ausspionieren, zu welchen Konditionen ein Angebot abgegeben wurde.

Wie hoch genau die Schäden sind, ist nicht bekannt - auch weil zahlreiche Fälle gar nicht erst angezeigt werden. Aus Angst um ihr Image würden viele Unternehmen die Daten-Diebstähle nicht bei den Behörden melden, erläutert Michael George vom bayrischen Landesamt für Verfassungsschutz.

Häufig bleiben die Angriffe aber auch unentdeckt: "Je professioneller Wirtschaftsspionage betrieben wird, desto geringer sind Entdeckungsrisiko und das Erkennen von Anhaltspunkten", heißt es vonseiten der Landesregierung auf eine Anfrage des Grünen-Politikers Hubert Ulrich. Der wollte wissen, wie viele Ermittlungsverfahren es in den vergangenen Jahren wegen Wirtschaftsspionage gegeben hatte. Der Grünen-Politiker nannte in diesem Zusammenhang die "Bedrohung von Betriebsgeheimnissen und anderen sensiblen Daten durch illegale Ausforschung" eine "reale Bedrohung" für Saar-Unternehmen.

Genaue Daten liegen auch dazu nicht vor: Zwar gab es nach Angaben der Landesregierung in den vergangenen zehn Jahren 1670 Ermittlungsverfahren wegen Ausspähens von Daten (Paragraf 202a Strafgesetzbuch, StGB). Acht Ermittlungsverfahren waren zwischen 2006 und 2011 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (Paragraf 99 StGB) bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken anhängig und 45 Ermittlungsverfahren wegen Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (Paragraf 17 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG). Ebenso gebe es weitere Straftatbestände, die Wirtschaftsspionage vermuten lassen. Diese Zahlen seien aber nur ein ungefährer Beleg für das Ausmaß des Ausspähens, da in den Verfahren nicht nach Wirtschaftsspionage und anderen Delikten unterschieden werde.

Bei den Spähangriffen sind nach Aussagen von Cloß gar nicht hochspezialisierte Methoden im Stile der amerikanischen Überwachungs-Behörde NSA nötig. Häufig reichten schon Spionage-Programme, sogenannte Trojaner, die über eine Mail eingeschleust werden. Ein Angriffspunkt seien auch Mails, in denen Unternehmen vertrauliche Daten unverschlüsselt verschicken. "Noch immer haben viele Unternehmen ihre IT-Systeme nicht ausreichend durch Sicherheits-Software gesichert", sagt Cloß. In Einzelfällen habe es aber auch Angriffe im James-Bond-Stil gegeben, bei denen Bildschirm-Inhalte über Mini-Kameras ausgelesen wurden. Grünen-Politiker Ulrich nennt entsprechend "Wanzen, Tastatur-Eingabe-Überwachungsgeräte sowie Bild- und Tonauszeichnungen" als Spionage-Bedrohungen. Häufig genüge aber auch einfach nur ein USB-Stick, wenn unzufriedene Mitarbeiter Daten von Firmencomputern zur Konkurrenz tragen, sagt Clo ß.

Wirklich helfen könne laut Saar-Verfassungsschützer Albert nur, dass sich die Saar-Unternehmen in Sachen Daten- und IT-Sicherheit um größtmöglichen Schutz bemühen. Auch Cloß sagt: "Die Unternehmen müssen sensibilisiert sein, dass ein Virenscanner aus dem Internet, der für den Privat-PC ausreichen mag, nicht für kritische Firmendaten ausreicht". Die Firmen sollten deshalb unbedingt professionelle Hilfe suchen - und das nicht erst nach einem Angriff.

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