Wissen erhalten ZF holt die Rentner in die Firma zurück

Mit ausscheidenden Mitarbeitern geht viel Fachwissen verloren. ZF will sich dieses mit einem speziellen Berater-Programm sichern.

 Senior Professional Jim Blackler mit seinen Kollegen der Abteilung „Qualitätsmanagement Kunde" der ZF Friedrichshafen AG in Saarbrücken. Von links: Bastian Schuh, Abteilungsleiter Daniel Breinig, Jim Blackler, Daniel Kreutzer und Eric Kavelius.

Senior Professional Jim Blackler mit seinen Kollegen der Abteilung „Qualitätsmanagement Kunde" der ZF Friedrichshafen AG in Saarbrücken. Von links: Bastian Schuh, Abteilungsleiter Daniel Breinig, Jim Blackler, Daniel Kreutzer und Eric Kavelius.

Foto: Rich Serra

Saarbrücken Sie haben Erfahrung, sie beherrschen ihre Handgriffe ebenso schlafwandlerisch wie den Betriebsablauf. Sie kennen viele Kollegen ebenso wie frühere Produktlinien, wissen, wie schon vor Jahren Probleme gelöst wurden – und sitzen zu Hause, lesen Bücher oder kümmern sich um den Garten.

Senior Professionals soll Wissen sichern

„Wir erkennen weltweit, dass mit ausscheidenden Mitarbeitern ein extremer Know-how-Verlust einhergeht“, sagt Ralf Scherer. Er verantwortet beim Getriebebauer ZF das Programm „Senior Professionals“. Dabei werden Ex-Mitarbeiter für einzelne Projekte in den Betrieb zurückgeholt. „Damit wollen wir dem Trend des Wissens-Verlusts entgegenwirken und Fachkompetenz über das Rentenalter hinaus sichern.“

Einsätze bis zu neun Monate

Scherers Programm hat das Ziel, ZF-Rentner, die sich dafür bereit erklären, auf Projektbasis als Berater zu engagieren. Das kann für wenige Tage sein. Das kann aber auch einen Zeitraum von mehreren Monaten umfassen. „Maximal neun Monate seien pro Jahr rechtlich erlaubt“, sagt Scherer. Doch auch kurzfristige Einsätze würden sich bereits lohnen. „Im Senior-Professionals-Programm können die Rentner dann ihr Wissen ganz gezielt an jüngere Mitarbeiter weitergeben oder auch komplexe Probleme lösen, für die sie das nötige Fachwissen mitbringen.“ 245 Mitarbeiter sind aktuell in der Datenbank registriert. 175 stehen aktuell auch für einen kurzfristigen Einsatz zur Verfügung.

Rückkehr nach 30 Jahren in der Firma

Jim Blackler ist solch ein Senior Professional. Über 30 Jahre hat er bei ZF in der Qualitätssicherung gearbeitet. Der gelernte Maschinenbauer, der vorher bei Jaguar in der Getriebeentwicklung tätig war, ist Mitte der 80er Jahre nach Saarbrücken gekommen. „Mein Vorteil ist, dass ich die Strukturen und sämtliche Abteilungen im Werk gut kenne“, sagt er über das Saarbrücker ZF-Werk, das in den vergangenen Jahren ein erhebliches Wachstum hingelegt hat.

„Golf alleine reicht nicht.“

Im vergangenen Jahr ist Blackler in den Ruhestand gegangen, doch schon vorher hat er sich als Senior Professional zur Verfügung gestellt. „Meine Motivation war recht einfach“, sagt er. „Ich spiele zwar gerne Golf, aber das reicht nicht für immer. Und im Garten arbeite ich nicht so gerne. In der Firma habe ich dagegen immer gerne gearbeitet.“ Und so saß der 66-Jährige schon vier Monate nach dem Renteneintritt wieder am Schreibtisch bei ZF. Dort soll er nun im Rahmen der Qualitätssicherung ein Programm erarbeiten, über das Verbesserungsprozesse optimiert werden. „Für mich ist es ideal“, sagt Blackler. „Ich bin nicht jeden Tag im Büro, kann mir meine Zeiten frei einteilen und so auch meinen Tag flexibel gestalten.“

Daniel Breinig, Leiter der Abteilung für Qualitätssicherung, zieht eine positive Bilanz: „Mit dem Programm ist es möglich, das spezielle Wissen von Jim Blackler auch für jüngere Kollegen zugänglich zu machen.“ Diese würden den Senior auch abseits seiner Projektaufgabe zu Rate ziehen.

Vor allem Einsatz in Spezialprojekten

Viele Firmen arbeiten schon jetzt mit altersgemischten Teams, bei denen Senioren den Jüngeren Fertigkeiten vermitteln sollen. Doch um diesen Wissensaustausch geht es gar nicht unbedingt, betont Breinig. „Der Wissensübergang für das Tagesgeschäft ist grundsätzlich immer abgedeckt“, sagt er. Es seien eher die Sonderthemen, bei denen plötzlich klar wird, dass dieses Wissen bei Kollegen liegt, die das Unternehmen verlassen haben. Wenn es möglich sei, diese dann noch einmal für eine Mitarbeit zu gewinnen, sei das für das Unternehmen insgesamt ein Gewinn.

35 Senioren im Einsatz

Noch steckt das Programm laut Scherer in den Kinderschuhen. Vor einem Jahr ist es aufgesetzt worden – mit einem Projekt in Saarbrücken. Aktuell seien 35 Senior Professionals im Einsatz, sagt Scherer. Aber die Zahl könne noch deutlich ausgeweitet werden. „Wenn andere Abteilungen hören, wie positiv die Erfahrungen mit dem Programm sind, nehmen sie auch den administrativen Aufwand in Kauf, den so ein Einsatz natürlich mit sich bringt“, sagt Breinig.

Auch ältere Rentner sind gefragt

Scherer will nun auch den Kreis der potenziellen Professionals deutlich ausweiten. Das Unternehmen habe zahlreiche Rentner angeschrieben, ob sie sich nicht beteiligen wollen. „Wann sie ausgeschieden sind, ist dabei gar nicht so wichtig, auch nicht die frühere Tätigkeit“, sagt Scherer. Auch nach Jahren hätten viele Ex-Mitarbeiter ihr Wissen noch parat, sagt er. Und nicht nur in Stabsstellen sei strategisches Wissen vorhanden, auch Bandmitarbeiter hätten über die Jahre sehr viel Kompetenz gesammelt, die – gerade bei Modellen, die nicht mehr hergestellt werden – gefragt sein könnte. Die Ex-Rentner will der Konzern künftig auch international einsetzen. Aktuell sucht Scherer einen Freiwilligen, der zu einem Einsatz im US-Werk bereit ist.

Zeichen für andere Unternehmen

Scherer hofft, mit dem Programm ein Zeichen auch für andere Unternehmen zu setzen. „Angesichts des Fachkräftemangels ist es wichtig, Wissen zu sichern“, sagt er. Das Projekt Senior Professionals könnte ein Schritt in diese Richtung sein.

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