Nur noch Dienst nach Vorschrift Verdi lässt die Busse an der Saar stillstehen

Saarbrücken · Die Gewerkschaft Verdi will für bessere Arbeitsbedingungen der Busfahrer kämpfen. Ab Sommer soll es auf vielen Linien im Saarland nur noch Dienst nach Vorschrift geben.

 Verdi sieht beim ÖPNV eine extreme Schieflage.

Verdi sieht beim ÖPNV eine extreme Schieflage.

Foto: dpa/Gero Breloer

Die Gewerkschaft Verdi hat für diesen Sommer im Öffentlichen Personen-Nahverkehr massive Kampfmaßnahmen angekündigt. Die aktuellen Bedingungen, unter denen die Busfahrer arbeiten müssen, seien nicht mehr zu akzeptieren, sagt Gewerkschaftssekretär Christian Umlauf. „Seit Jahren werden die Arbeitsbedingungen für die Busfahrer nur noch schlechter“, sagt Umlauf.

Massive Personalengpässe

Bei einer Verdi-Veranstaltung berichteten Busfahrer verschiedener Unternehmen, unter welchen Bedingungen sie arbeiten müssen. Demnach führen die massiven Personalengpässe bei den Busunternehmen zu erheblichen Überbelastungen der Fahrer. Heiko Schaufert von der Neunkircher Verkehrsgesellschaft NVG sagt, dass bei der NVG dauerhaft zehn Fahrer zu wenig da sind. Deshalb seien geordnete Dienstpläne kaum noch möglich, freie Tage oder gar Wochenenden seien nicht mehr zu planen. Und auch Nachwuchs sei nicht in Sicht, weil der Beruf mit extremen Arbeitszeiten und gerade einmal 1400 bis 1500 netto im Monat für junge Menschen nicht mehr attraktiv ist.

Von extrem ausgedehnten Arbeitszeiten berichtet auch Markus Morsig aus Saarbrücken. Busfahrer, so sagt er, haben ein besonderes Arbeitszeitmodell, weil bei ihnen nur echte Lenkzeiten als Arbeitszeit gerechnet werden. „Das führt dann aber dazu, dass Fahrer teilweise 15 Stunden im Dienst sind, weil sie zwischendurch Pausen haben, für die sich aber die Heimfahrt nicht lohnt. Gefahren sind sie aber nur acht Stunden“, sagt er. Das hielte auf Dauer kein Fahrer durch.

Ähnlich äußert sich auch der Fahrer eines privaten Betreibers, der bei vielen Fahrern schon von Burnout spricht. Er zeigt Stundenzettel die belegen, dass er einen Monat lang kaum unter zwölf Stunden im Einsatz war. Zusätzlich waren mehrfach Wochenenden und freie Tage wegen Personalmangels weggefallen. „Das kann so nicht bleiben“, sagt er. „Wir fahren kein Stückgut, wir fahren Menschen, wir fahren Kinder.“ Hier sei die Politik dringend gefragt, einzugreifen und die Bedingungen auch in den Ausschreibungen so zu ändern.

Wettbewerb im Nahverkehr

Die Politik sieht auch Rechtsanwalt Markus Dönneweg in der Pflicht. Als Anwalt vertritt er seit Jahren Beschäftigte aus dem ÖPNV im Rechtsstreit mit ihren Arbeitgebern. „Die Probleme sind vor allem aufgetaucht, seit vor zehn Jahren der öffentliche Nahverkehr ausgeschrieben wird“, sagt er. Während früher der Busverkehr weitgehend von kommunalen Unternehmen oder der Bahn bedient wurde, hat die EU nun auch im Nahverkehr Wettbewerb eingeführt. „Probleme entstehen aber vor allem, wenn private Unternehmen solche vorher öffentliche Aufträge übernehmen“, sagt er. Denn oft ist damit verbunden, dass die Fahrer zu den vorherigen Bedingungen mit Zuschlägen, Pausen-Vorgaben und vorgegebenen Dienstplänen beschäftigt werden müssen. Teilweise haben die privaten Firmen das aber gar nicht kalkuliert, wissen gar nicht, welche Pflichten sie haben und ignorieren diese entsprechend. Und weil sie zu den eigentlich geltenden Bedingungen den Verkehr gar nicht gewährleisten könnten, werden den Fahrern dann Zulagen nicht gezahlt oder Sonderschichten angeordnet. „Viele private Betreiber übernehmen sich vollkommen“, sagt Dönneweg

 Busfahrer sind hohen Belastungen ausgesetzt

Busfahrer sind hohen Belastungen ausgesetzt

Foto: dpa/Fredrik Von Erichsen

Die Folge ist, dass gerade bei den privaten Unternehmen der Unmut der Fahrer wächst, wenn sie erfolglos für ihre Rechte kämpfen – oft sogar vor Gericht. Den zunehmenden Widerstand der Arbeitnehmer bekämpfen die Arbeitgeber Verdi zufolge, indem sie gegen jegliche Organisation der Mitarbeiter vorgehen. So ist beim Bliestalverkehr, der im Saarpfalz-Kreis fährt, die Betriebsratsvorsitzende Kathy Preuß bereits zum zweiten Mal gekündigt worden. Einmal weil sie einen Arbeitsunfall vorgetäuscht haben soll, ein zweites Mal, weil sie ihren Kollegen bei der Stundenabrechnung geholfen haben soll. Und beim Busunternehmen Baron, einem Partner von Saar-Mobil, ist der von Verdi aufgestellte Betriebsratskandidat Christian Selzer bereits dreimal fristlos gekündigt worden. Eine Begründung habe es nicht gegeben, sagt Umlauf. Außerdem habe die Geschäftsleitung vor der Betriebsratswahl massiv unter Druck gesetzt. Ein Grund, warum Verdi die Betriebsratswahl anfechten will.

Nur noch Dienst nach Vorschrift

Um die Bedingungen für die Busfahrer zu verbessern und auch Gehälter durchzusetzen, die den Beruf wieder attraktiver machen, kündigt Verdi für den Sommer Kampfmaßnahmen an. Im Rahmen der Tarifverhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern – der Manteltarivertrag ist zum 31.12.17 gekündigt – werde es im Sommer häufig nur noch Dienst nach Vorschrift geben. Ab Herbst sollen dann auch die privaten ÖPNV-Betreiber ins Visier genommen werden. „Wir werden dort den Organisationsgrad so steigern, dass nicht mehr die GÖD sondern wir die Tarifverhandlungen führen“, sagt Umlauf. Die Bereitschaft zum Eintritt in die Gewerkschaft sei angesichts der Situation hoch.

Dienst nach Vorschrift, das heißt: Keine Sonderschichten, keine Doppelschichten, keine Geschwindigkeitsüberschreitungen, um Verspätungen einzuholen, kein spontaner Krankheits-Ersatz. Hinzu sollen ganztägige Ausstände kommen. „Wir werden im Herbst dann Tage haben, an denen im Saarland keine Busse mehr fahren“, sagt Umlauf.

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