Wie viele Kilometer braucht ein Dirigent?

Nervennahrung muss schon sein: Zum Kaffee in der Theaterkantine nimmt Christopher Ward eine Tafel Schokolade, die er aber brüderlich teilt. Seit zwei Jahren ist der 36-jährige Brite Erster Kapellmeister des Staatsorchesters. Ein Glücksgriff für das Saarbrücker Haus, denn was Ward dirigiert, wird fast immer zum Genuss. Am Samstag dirigiert er nun Dvoraks Oper „Rusalka“. Und am 7. Mai steht er auch bei „Rigoletto“ am Pult; Intendantin Dagmar Schlingmanns spektakuläre Inszenierung von 2013 aus der Völklinger Hütte wandert nun ins Große Haus. SZ-Redakteur Oliver Schwambach sprach mit dem Dirigenten über dessen Saarbrücker Bilanz, seine Zukunftspläne und die anstehenden Opern.

 Seit zwei Jahren ist Christopher Ward Kapellmeister am Saarbrücker Theater.

Seit zwei Jahren ist Christopher Ward Kapellmeister am Saarbrücker Theater.

Foto: Ward

Ihr Chef, Generalmusikdirektor Nicholas Milton, hat gerade seinen Vertrag verlängert, Wie sieht es bei Ihnen aus?

Ward: Ich bin im Moment noch ganz glücklich hier.

Können Sie sich vorstellen, auch über den Intendantenwechsel im nächsten Jahr hinaus in Saarbrücken zu bleiben?

Ward: Ich habe immer noch eine sehr gute Beziehung zu dem Orchester. Und es macht mir sehr viel Spaß hier. Aber ich weiß nicht, wer dann Intendant wird - und wie derjenige entscheidet.

Sie bekommen allerdings so viel Zustimmung, ob von Theatergästen oder der Kritik, aber auch aus dem Theater hört man nur Positives über Sie, dass man sich Sorgen machen muss, dass Sie bald weg sind.

Ward: Wir werden sehen. Sicher ist, in den beiden Spielzeiten, in denen ich jetzt hier bin, hatte ich wirklich sehr viele Möglichkeiten zu dirigieren. Das war ein sein sehr schöner Entwicklungsraum für mich, in dem ich viel lernen konnte.

Was genau haben Sie hier lernen können?

Ward: In technischen Aspekten bin ich sicher besser geworden. Christian Thieleman hat mal zu mir gesagt, als Kapellmeister braucht man einfach auch Routine, man braucht sozusagen etliche Dirigenten-Kilometer auf dem Tacho. Und durch die verschiedenen Produktionen konnte ich mir auch sehr unterschiedliche Musik aneignen. Zudem haben sich in der Probenarbeit hoffentlich auch meine Methoden verfeinert. Vor allem habe ich in Saarbrücken gelernt, wie wichtig die Motivation der Musiker ist.

Was machen Sie denn, um die Musiker zu motivieren?

Ward: Ich erzähle gerne Geschichten etwa über die Komponisten, um die es geht.

Im Musiktheater sind Sie sehr präsent, auch prägend. Leider gibt es bislang kaum Gelegenheiten, den Konzertdirigenten Christopher Ward zu erleben. Woran liegt das?

Ward: Das ist hier gewissermaßen eine politische Entscheidung, dass der GMD das Vorrecht hat. Ich habe ja schon Sinfoniekonzerte anderswo dirigiert. Ich finde es auch schade, dass das in Saarbrücken so nicht möglich ist.

Ist Dvoraks "Rusalka" nun eine Wunschoper für Sie?

Ward: Ja, seit langem. Ich habe ja in München bei "Rusalka" (2010, Anm. d. Red.) assistiert, als Martin Kusej inszenierte. Gerade auf die Zusammenarbeit hier mit Regisseur David Hermann habe ich mich sehr gefreut. Kusej hat das damals in München sehr hart gemacht, mit einer Familie, die im Keller lebt.

Er nahm den Fall Kampusch auf, eine sehr umstrittene Inszenierung . . .

Ward: Ja, man kann das sicher so machen. Aber hier in Saarbrücken inszeniert es David Hermann ungeheuer fantasievoll, er hat keine Angst, das Märchenhafte zuzulassen.

Und Sie wollen das in der Musik auch betonen?

Ward: Absolut - und es wird von der Inszenierung unterstützt.

"Rusalka" gilt als Dvoraks spätes Meisterstück, komponiert von ihm, als er nach seinen großen Reisen zurück in der Heimat war. Volkslied-Elemente, das Märchenhafte findet zusammen mit Leitmotivtechnik . . .

Ward: Das ist fraglos ein Meisterwerk, so dramatisch, so schön, es beinhaltet alles, was ich mir in der Oper wünsche.

Kurz darauf stemmen Sie noch einen richtig großen Brocken, Verdis "Rigoletto" (ab 7. Mai), Dagmar Schlingmanns spektakuläre Inszenierung aus der Völklinger Hütte kommt nun ins Große Haus. Haben Sie die Produktion mal gesehen?

Ward: Leider habe ich nur ein Video gesehen - und da bekommt man nur einen reduzierten Eindruck.

Damals dirigierte Toshiyuki Kamioka. Knüpfen Sie in Ihrer Einstudierung an seine Arbeit an?

Ward: Das interessiert mich schon, aber dies hier muss meine eigene Interpretation sein, und ich werde sowieso seine Einstudierung bei den Musikern mitbekommen. Im Übrigen, ich habe Kamioka nur einmal im Konzert mitbekommen, das fand ich sehr fein, sehr transparent, das mochte ich sehr.

Jetzt versuche ich doch nochmal den Bogen zum Anfang zu schlagen: Wie sehen Sie mittelfristig Ihre Perspektive? Als wir uns zum letzten Mal trafen, sagten Sie, Sie vertrauen darauf, dass die Aufgaben zur richtigen Zeit zu Ihnen kommen . . .

Ward: Ich fühle mich heute jedenfalls noch bereit für eine GMD-Stelle. Es wäre der richtige, der logische Schritt. Ja, ich will mehr mitgestalten.

Und das Organisatorische, das Feilschen um Probenzeiten, um Geld, das heute mit dazu gehört, schreckt Sie nicht?

Ward: Nein, ich habe ja auch mal überlegt, Kulturmanager zu werden. Und ich habe viel Ideen dafür, ja das würde mir auch Spaß machen.

Premiere "Rusalka": Samstag, 19.30 Uhr, Großes Haus.

Premiere/Wiederaufnahme "Rigoletto": 7. Mai, 19.30 Uhr, Großes Haus.

Karten für beide Premieren:

Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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