,,Wenn du alt bist, lebst du mit dem Sterben“

Saarbrücken · Als bänkelsängerischer Reimspieler resümiert er das wenig ermutigende Weltgeschehen, besingt das Glück lange währender Liebe und überdenkt sein erfahrungsreiches Leben, das nunmehr 90 Vierjahreszeiten zählt: ein Blick auf das neue Buch des Saarbrücker Alltagsdichters Roland Stigulinszky.

 Lebenslustiger Pessimist: der Saarbrücker Lyriker, Grafiker, Karikaturist und was nicht noch alles Roland Stigulinszky.

Lebenslustiger Pessimist: der Saarbrücker Lyriker, Grafiker, Karikaturist und was nicht noch alles Roland Stigulinszky.

Foto: Oliver Dietze

Dass er Ende April seinen 90. Geburtstag feierte, mag man kaum glauben. So juvenil wie "stig" immer noch ist. Hat er sein neuestes Büchlein nicht selber "90 Vierjahreszeiten. Und?" betitelt. In diesem "Und?" schwingt nicht nur ein trotziges, fast heiteres "was soll's?" mit, sondern wohl auch jene Frage, die (nicht nur auf der Zielgeraden) unausweichlich ist: Wie viele Jahre bleiben einem noch?

Wobei Roland Stigulinszky, Saarbrücker Lyriker, Grafiker, Karikaturist und was nicht alles, in seinen Versen neben allem satirischem Biss und frivolem Geplänkel von jeher immer auch den letzten Dingen eine Stimme gegeben hat. Nun zieht "stig" in seinem Band einmal mehr Bilanz ("Im hohen Alter/bringt dir dein eignes Leben/Bescheidenheit bei"). Überdenkt sein erfahrungsreiches Leben ("Wenn du alt bist,/lebst du mit dem Sterben./Mit der Vergangenheiten Freuden/und den Scherben"). Resümiert als bänkelsängerischer Reimspieler politisch wie klimatisch das nicht eben ermutigende, aus den Fugen geratene Weltgeschehen voller Murks und Mängel ("Vom Menschen wird der Mensch/aus jedem Paradies vertrieben"). Hadert mit den Malaisen des Alters ("dann willst du sie halten,/eh sie entschwinden,/ die Findelkinder des Hirns/diese flüchtigen Gedankengestalten"). Verfasst schalkhafte Widmungsgedichte an Große wie Hölderlin und Eichendorff ("Au wie!, wie krieg ich denn/die ganze Sache endlich in den Griff?/Bei Mondenschein?"). Weiß um die botanischen Freuden von Hagebutte, Eierpflaumen oder Klematis. Besingt die tröstlichen Wonnen des Alltags - vor allem aber das Glück der Liebe zu seiner Frau Bruni ("wenn sie miteinander/und als Doppelstern sich drehend/durch des Lebens All-Tag reisen").

Zweierlei fällt auf in diesem Höhen und Tiefen auslotenden neuerlichen Altersbrevier: Die eindringlichsten, weisesten Miniaturen gelingen Stigulinszky oft in seinen Haikus, in denen er Lebensreife epigrammatisch verdichtet. Und dann, dass "stig" diesmal Prosaisches einstreut, darunter gleichermaßen launige wie bittere Erinnerungen an Krieg und Gefangenschaft. So nonchalant und erfrischend hemdsärmelig wie er zu erzählen und auf Papier zu plaudern weiß, sollte dieser lebenslustige Pessimist vielleicht doch noch seine Lebenserinnerungen zu Papier bringen.

Roland Stigulinszky: 90 Vierjahreszeiten. Und? SCW Auer-Sällef, 167 S., 14 €.

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