Forschung und Lehre passen nicht mehr zusammen Warum die Steuerlehre ins Abseits gerät

Saarbrücken · Die Studenten lernen bei der Steuerlehre oft das Falsche. Das hat fatale Folgen, sagt der Saarbrücker Steuer-Professor Kußmaul.

 Heinz Kußmaul, Inhaber des Steuerlehrstuhls an der Saar-Uni.

Heinz Kußmaul, Inhaber des Steuerlehrstuhls an der Saar-Uni.

Foto: Universität des Saarlandes

Die  betriebswirtschaftliche Steuerlehre muss wieder zu ihren Wurzeln zurückkehren und sich erneut mit Fragen  befassen, die sich aus der Steuergesetzgebung und der täglichen Praxis herleiten.  Das forderte Professor Heinz Kußmaul, Leiter des Betriebswirtschaftlichen Instituts für Steuerlehre (BLI), an der Saar-Universität gestern auf dem diesjährigen Unternehmertag der Uni. Dieser hatte die „(Fehl-)Entwicklungen in Forschung Lehre? – Betriebswirtschaftliche Steuerlehre auf dem Prüfstand“ zum Thema. „Wir müssen unter anderem wieder erforschen und lehren, welche Anforderungen ein modernes Steuerrecht erfüllen muss, wie die Regelwerke aufgebaut sind, welche Wirkung sie entfalten  und welche Folgen Änderungen in der Steuergesetzgebung haben“, nannte Kußmaul als Beispiele. Dazu gehöre aber auch, dass von den Universitäten wieder verstärkt Vorschläge zur Steuerpolitik kommen müssen.

„Diese Themenkomplexe haben an vielen Lehrstühlen nicht mehr  die Bedeutung, die ihnen zustehen“, kritisiert der Hochschullehrer.  Dies rühre daher, „dass die Steuerlehre inzwischen sehr stark von der englischsprachigen Literatur geprägt wird“. In den USA spiele Steuerlehre jedoch eine untergeordnete Rolle, werde nicht als Wissenschaft betrachtet, und Steuerfragen würden dort meist von Juristen  bearbeitet.

Wer allerdings an einer deutschen Hochschule Karriere machen will, müsse in US-Fachzeitschriften publizieren. Je öfter er dort erscheine, desto größer seien seine Chancen auf eine akademische Laufbahn auch in Deutschland. In den führenden Publikationen wie zum Beispiel „The Journal of Finance“ hätten klassische Steuerrechts-Themen jedoch keine Chance. In der englischsprachigen Literatur würden eher empirische Fragen untersucht, beispielsweise, wie viele Steuern durch Betrug hinterzogen werden oder welche Auswirkungen die beschränkte Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen (Zinsschranke) auf den Gewinn eines Unternehmens hat. „Das ist allerdings eine einseitige Sicht auf die  Steuerforschung“, betonte Kußmaul. Sollte die Eingleisigkeit in der Steuerlehre so weitergehen wie bisher, „droht das Fachgebiet ins gesellschaftspolitische Hinterwäldlertum abzugleiten“, warnte der Hochschullehrer.

Dies sei auch für die Studenten nicht gut, da Steuerberater-Kanzleien, Unternehmen oder die Finanzverwaltung Nachwuchs bevorzugen, die „mit den Gesetzen arbeiten können“.  Das betonte Xaver Ditz, Partner der Bonner Steuerberatungsgesellschaft Flick, Gocke, Schaumburg. In eine ähnliche Kerbe schlug Professor Michael Tumpel von der Universität Linz. „Forschung lässt sich von der Ausbildung und der Praxis nicht abkoppeln“, betonte er. „Die Studierenden müssen in der Lage sein, sich mit den Praktikern auszutauschen.“

Allerdings gibt es Hoffnung. So hat sich eine Forschungsgruppe anwendungsorientierte Steuerlehre (Fast) gebildet, der sich inzwischen ein Drittel der deutschen Steuerlehre-Professoren angeschlossen haben. „Wir wollen den Nachwuchs für die anwendungsorientierte Forschung begeistern“, betonte Professor Stephan Meyering von der Fernuni Hagen, der die  Gruppe ebenfalls unterstützt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort