VW und Zulieferer beenden Machtprobe

Wolfsburg · Nach Marathon-Verhandlungen steht eine Einigung zwischen VW und den beiden Zulieferern der Prevent-Gruppe. Der Konflikt aber könnte weitreichende Folgen haben.

 Lkw bringen Teile zum VW-Werk Wolfsburg. Nun sollen auch wieder die fehlenden Sitzbezüge angeliefert werden. Foto: Stratenschulte/dpa

Lkw bringen Teile zum VW-Werk Wolfsburg. Nun sollen auch wieder die fehlenden Sitzbezüge angeliefert werden. Foto: Stratenschulte/dpa

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Tausende VW-Beschäftigte können bald wieder wie gewohnt zur Arbeit gehen und Autos zusammenbauen. Das zumindest steht fest nach der Einigung zwischen Volkswagen und den beiden Zulieferern, die sich mit dem Weltkonzern angelegt hatten. Ansonsten aber ist nach Verhandlungen über die ganze Nacht vieles unklar.

Nach "Dieselgate", dem Abgasskandal mit dramatischen Folgen, hat VW ein "Liefergate" erlebt. Zwei kleinere Zulieferer lieferten wichtige Teile nicht mehr - und schon standen viele Bänder bei VW still. Das dürfte nicht ohne Folgen bleiben. Denn das Ziel von VW muss es nun sein, eine derartige Eskalation eines Streits mit Lieferanten zu verhindern.

Zwischen Volkswagen und den zur Prevent-Gruppe gehörenden Teilezulieferern tobte seit Tagen ein Streit um eine Kündigung von Aufträgen. Dem Vernehmen nach ging es dabei um ein Zukunftsprojekt, bei dem Car Trim von 2017 an Sitzbezüge für VW und Porsche liefern sollte. VW soll Qualitätsmängel geltend gemacht haben. Car Trim aber war in Vorleistung getreten. VW sollte daher angeblich einen "mittleren zweistelligen Millionenbetrag" als Wiedergutmachung zahlen. Car Trim soll dazu noch andere Forderungen gestellt haben, die VW nicht erfüllen wollte. Als Reaktion darauf stellte Car Trim die Lieferungen ein, außerdem die Schwesterfirma ES Automobilguss. 27 700 VW-Beschäftigte konnten nicht wie geplant arbeiten.

Um weiteren Schaden abzuwenden, verhandelten VW und die beiden Firmen der Prevent-Gruppe seit Montagmittag rund 20 Stunden lang. Am Ende stand eine Erklärung aus vier dürren Zeilen, darin auch der Satz: "Über die Inhalte der Einigung wurde Stillschweigen vereinbart." Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, VW und Prevent hätten auf gegenseitige Schadenersatzansprüche verzichtet sowie die zuvor erfolgte Kündigung einer umfangreichen Kooperation teilweise rückgängig gemacht. Zudem bleiben demnach die beiden Prevent-Firmen bei VW mindestens weitere sechs Jahre im Geschäft. Außerdem sei eine Vertragsstrafe vereinbart worden, sollten künftig Zulieferungen ausfallen.

Das Hauptproblem für VW : Der Autobauer hatte sich bei dem Getriebeteil der Firma ES Automobilguss einzig auf diesen Lieferanten verlassen. "Single Sourcing" (Einzelquellen-Beschaffung) heißt das in der Fachsprache. Dies ist riskant, doch bringt der Einkauf bei nur einer Quelle wegen größerer Mengen Kostenvorteile: Masse drückt den Preis, das hilft beim Sparen.

Gerade wegen der Milliardenbelastungen der Dieselaffäre muss VW die Kosten weiter senken. Ende Juni hatte Einkaufschef Francisco Garcia Sanz daher an Zulieferer geschrieben: "Um Zukunftsthemen finanzieren zu können, müssen wir deutlich effizienter werden." Branchenexperten sehen in der Einkaufspolitik bei VW , speziell im Single Sourcing, eine Achillesferse. VW habe "elementarste Regeln der Risikoabsicherung" außer Acht gelassen, kritisierte Ferdinand Dudenhöffer vom Marktforscher CAR.

Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft erwartet durch den Streit zwar keine grundsätzlichen Verschiebungen im Machtgefüge zwischen großen Autobauern und kleineren Zulieferern. "Womöglich wird jetzt aber in der Branche stärker diskutiert, dass es um eine vertrauensvolle, langfristige Kooperation gehen muss." Seine Kritik an den Herstellern: "Oft werden die Risiken allein auf die Lieferanten abgewälzt - und diese werden häufig nur noch beatmet." Wettbewerbsstarke Zulieferer mit guten Produkten würden durch billigere ersetzt, was für die Branche nicht gut sei.

Ins gleiche Horn stößt auch der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). "Ein Top-Lieferant fällt nicht vom Himmel", sagt BME-Hauptgeschäftsführer Christoph Feldmann. Gute Lieferanten müssten aufgebaut werden, etwa durch gemeinsame Entwicklung der Produkte. Der Streit könnte aber noch eine ganz andere Folge haben. Der Vize-Chef der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs , griff VW wegen der Beantragung von Kurzarbeitergeld scharf an. "Dass VW hier die Allgemeinheit für eigene Versäumnisse zur Kasse bittet, hat nichts mit verantwortungsvollem unternehmerischem Handeln zu tun", sagte Fuchs und forderte, die gesetzlichen Grundlagen für die Kurzarbeit zu überarbeiten.

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