Immer mehr Katastrophen Versicherer verdienen am Klimawandel

Hannover · Katastrophen gehören zum Geschäftsmodell der großen Konzerne. Kritisch wird es für sie nur, wenn sich die Ereignisse zu schnell häufen.

 Häufig bleibt nach einem Sturm kaum noch etwas stehen.

Häufig bleibt nach einem Sturm kaum noch etwas stehen.

Foto: dpa/A2800 epa Skip Bolen

Wirbelstürme, Überschwemmungen, Dürren, Erdbeben, Tsunamis – die Liste möglicher Katastrophen ist lang. Die globale Erwärmung könnte vieles noch verschlimmern. Mit der Furcht vor diesen Ereignissen verdienen Rückversicherungskonzerne, die die Schäden der Versicherungskonzerne absichern, prächtig.

„Der Klimawandel hat uns in den letzten 20 Jahren in der Rückversicherung nicht unerwartet stark getroffen“, sagt Ulrich Wallin, Chef des weltweit drittgrößten Rückversicherers Hannover Rück. Allerdings bleibt offen, wie es in den kommenden Jahren weitergeht. Nähme die Häufigkeit von Stürmen vergleichsweise kurzfristig und nachhaltig zu, würde dies zu Verlusten bei den Rückversicherern führen. Denn die Preise werden der Erfahrung der Vergangenheit angepasst.

Das Katastrophenjahr 2017 steht dabei mit den Hurrikanen „Harvey“, „Irma“ und „Maria“ für den Manager in einer Reihe mit dem Horrorjahr 2005 mit den Wirbelstürmen „Katrina“, „Rita“ und „Wilma“ sowie 2011 mit dem Tsunami in Japan, einem schweren Erdbeben in Neuseeland und Überschwemmungen in Thailand. In den Daten des weltgrößten Rückversicherers Munich Re gibt es nur drei Jahre, in denen die versicherten Naturkatastrophen-Schäden inflationsbereinigt mit über 100 Milliarden Dollar zu Buche schlugen – und diese sämtlich binnen der vergangenen 13 Jahre. 2017 waren es 135 Milliarden Dollar.

Klima-Fachleute des Münchner Konzerns sehen in den Naturkatastrophen der vergangenen Jahrzehnte zwar keinen Beweis, aber starke Indizien für die Auswirkungen des Klimawandels. „Bei den Hurrikanen ist es wohl so, dass die Windstärke nicht vom Klimawandel geprägt ist, die Wassermenge allerdings schon“, sagt Munich-Re-Finanzchef Jörg Schneider. So sei die Wassertemperatur 2017 besonders hoch gewesen, was zu starken Regenfällen führte.

Zur steigenden Zerstörungskraft kommt dabei der Zufall, wie Munich-Re-Rückversicherungsvor­stand Torsten Jeworrek immer wieder erläutert: Der eine Hurrikan weiß nichts davon, ob gerade ein anderer an einer stark besiedelten Küste auf Land getroffen ist. Und er ahnt nicht, ob er arme, kaum versicherte Menschen in Holzhäusern erwischt – oder eine hoch entwickelte, hoch versicherte Millionenstadt.

Dabei geschehen die Entwicklungen beim Wetter als Folge des Klimawandels schrittweise und nicht sprunghaft. „Damit kann auch die Preisgestaltung für das Naturkatastrophenrisiko graduell angepasst werden“, sagt Wallin. Rückversicherer, aber auch Erstversicherer wie Allianz und Axa kalkulieren ihre Prämien so, dass diese im mehrjährigen Durchschnitt die Aufwendungen für Schäden, Verwaltung und Vertrieb abdecken – und am Ende ein Gewinn übrig bleibt.

Weil die Schäden von 2012 bis 2016 vergleichsweise gering blieben, sitzen vor allem die großen Rückversicherer Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück auf dicken Kapitalpolstern. Daher ist das Angebot an Rückversicherungsschutz riesig, getrieben auch von Großanlegern wie Pensionsfonds, die über Katastrophenanleihen eta­blierten Anbietern Konkurrenz machen. Preiskampf macht Rückversicherungsschutz billiger – und für die Konzerne weniger rentabel. Erst die Katastrophen von 2017 leiteten jetzt eine Preiswende ein.

Bei der Neuverhandlung der Rückversicherungsverträge zum Jahreswechsel konnten die Rückversicherer in schadenbelasteten Regionen die Prämien um zweistellige Prozentsätze anheben. Teils habe man die Preise sogar verdoppeln können, sagt Munich-Re-Manager Schneider. Im gesamten Schaden- und Unfallgeschäft gelang den Münchnern aber nur eine Preiserhöhung von 0,8 Prozent, die Hannover Rück konnte 1,4 Prozent durchsetzen. Und Wallin peilt für 2018 wieder über eine Milliarde Euro Gewinn an.

Wie der Klimawandel das Wetter verändert und mit welchen Schäden zu rechnen ist, kann aber auch er schwer vorhersagen: „Wir haben sicherlich eine steigende Zahl von Flutschäden und auch Hagel.“ Winterstürme in Europa hätten sich jedoch zuletzt eher lokal ausgewirkt. Ein Zusammenhang mit der Erderwärmung lässt sich daraus schwer ablesen. Trotzdem legen die Daten diese zumindest nahe.

Menschen in ärmeren Weltregionen haben ihre Häuser und Betriebe bisher oft kaum versichert. Vor allem der weltweit zweitgrößte Rückversicherer Swiss Re wirbt seit langem dafür, die Versicherungsdichte in Schwellen- und Entwicklungsländern zu erhöhen. Das würde im Katastrophenfall nicht nur den Menschen helfen, für Rückversicherer täten sich neue Einnahmequellen auf. Denn große Gefahren sind die Existenzberechtigung der Branche. Selbst stark zunehmende Großschäden würden die Rückversicherer nicht bedrohen, sagt Wallin: „Wenn es jedes Jahr einen Sturm gibt, der in einer bestimmten Region einen Schaden von zehn Milliarden Euro erwarten lässt, dann ist das eigentlich nichts, was ich versichern kann. Versichern kann ich nur die Unsicherheit.“

(dpa)
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