Kippt die Netzneutralität? USA wollen Internet der zwei Geschwindigkeiten

Washington · Vor zwei Jahren wurde in den USA eine strikte Umsetzung der Regeln zur Netzneutralität beschlossen. Jetzt sollen sie wieder gekippt werden.

 Glasfaser-Internet-Kabel – geht es nach der US-Telekomaufsicht, werden Daten bald unterschiedlich schnell durch die Leitungen geschickt.

Glasfaser-Internet-Kabel – geht es nach der US-Telekomaufsicht, werden Daten bald unterschiedlich schnell durch die Leitungen geschickt.

Foto: dpa/Carsten Rehder

Die amerikanische Telekommunikations-Aufsicht FCC (Federal Communications Commission) will noch in diesem Jahr die strikten Regeln zur Gleichbehandlung von Daten im Internet aufweichen. FCC-Chef Ajit Pai lässt am 14. Dezember über seinen Vorschlag abstimmen, der eine Aufhebung der bisherigen konsequenten Umsetzung der sogenannten Netzneutralität vorsieht.

Da die Republikaner um Pai die Mehrheit in der Kommission halten, ist damit zu rechnen, dass der Plan durchgeht. Pai verspricht höhere Investitionen in die Telekom-Infrastruktur durch die Lockerung der Regulierung. Internet-Firmen warnen vor einer Verzerrung des Wettbewerbs, wenn Netzbetreiber kostenpflichtige Überholspuren einführen sollten.

Der Grundsatz der Netzneutralität besagt, dass alle Daten gleichbehandelt werden müssen. So ist es Netzbetreibern wie AT&T, Verizon oder Comcast untersagt, bestimmten Datenverkehr zu blockieren oder zu verlangsamen, um anderen Inhalten Vorrang im Netz zu geben.

Um das zu gewährleisten wurden Anbieter von Internet-Zugängen von der vorherigen FCC mit Versorgern gleichgestellt – was Pai schon damals scharf kritisierte. Jetzt argumentiert er, dass in den zwei Jahren seit der Entscheidung die Investitionen in Breitband-Infrastruktur um 5,6 Prozent gefallen seien. Wenn die bisherigen Regeln bestehen blieben, müssten Amerikaner in einigen Regionen Jahre auf schnellere Internet-Leitungen warten, schrieb Pai in einem Gastbeitrag im „Wall Street Journal“. Nach seinen Vorstellungen sollte die Handelsbehörde FTC dafür sorgen, dass Verbraucher nicht benachteiligt werden und die FCC sich aus der Angelegenheit heraushält.

Pais Vorhaben trägt den Namen „The Restoring Internet Freedom Order“ („Anordnung zur Wiederherstellung der Freiheit im Internet“). Nach Medienberichten äußerten sich Internet-Provider positiv darüber. So teilte der Telekommunikationskonzern Verizon der „Washington Post“ mit, man sei „sehr ermutigt“.

Dagegen äußerte sich die „Internet Association“ kritisch. Der Lobby-Verband für Amazon, Facebook und weitere Internetkonzerne erklärte, die Provider sollten ihre „Türsteherposition nicht nutzen dürfen, um Webseiten und Apps zu diskriminieren“. Der medienkritische Bürgerverband „Free Press“ äußerte ebenfalls Bedenken: Providern sei es dem Reformentwurf zufolge künftig erlaubt, die „Schnellstraßen“ im Internet „für die wenigen großen Konzernen zu reservieren“, die dafür bezahlen können.

Online-Dienste wie Google, Facebook, Amazon und Netflix fürchten, dass sie von den Netzbetreibern nun stärker zur Kasse gebeten werden könnten, wenn sie weiter schnelle Leitungen haben wollen. Kritiker warnen auch, dass es gerade für große Internet-Firmen leichter sein wird, sich eine Überholspur im Netz zu kaufen – während junge Startups dafür kein Geld haben und benachteiligt wären. FCC-Mitglied Jessica Rosenworcel, eine Demokratin, warnte, Pais Plan würde Breitband-Anbietern „die Macht geben, zu entscheiden, welchen Stimmen sie mehr Gehör verschaffen und welche Websites wir besuchen können“.

Bedenken gegen eine Lockerung der Regeln gibt es darüber hinaus auch, weil die amerikanischen Netzbetreiber immer stärker selbst ins Inhalte-Geschäft vorstoßen. Damit konkurrieren sie mit den Inhalte-Anbietern.

(dpa)
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