Umtauschparadies Deutschland

Düsseldorf · Zwei Wochen, zwei Monate, ein Leben lang – Umtauschfristen werden in Deutschland immer länger. Das ist nicht zuletzt dem Druck des Online-Handels zu verdanken. Männer und Frauen verhalten sich beim Umtauschen unterschiedlich.

 Wer bei Ikea einkauft, hat künftig noch ein Rückgaberecht für ein Jahr. Foto: Reinhardt/dpa

Wer bei Ikea einkauft, hat künftig noch ein Rückgaberecht für ein Jahr. Foto: Reinhardt/dpa

Foto: Reinhardt/dpa

Deutschland entwickelt sich zum Umtauschparadies. Unter dem Druck der Internet-Konkurrenten räumen immer mehr Textilhändler, Möbelläden und Lebensmittelgeschäfte ihren Kunden für Einkäufe Rückgabefristen von vier Wochen oder mehr ein. Sogar unbefristete Umtauschangebote sind inzwischen zu finden. Dabei gilt beim Shoppen im Laden eigentlich der Rechtsgrundsatz: Gekauft ist gekauft. "Die Händler in Deutschland waren schon immer recht kulant beim Umtausch. Aber durch den Online-Handel ist der Druck, in diesem Bereich kundenfreundlich zu agieren, noch einmal deutlich gewachsen", sagt Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU.

Schließlich ist im Online-Handel eine Umtauschfrist von 14 Tagen aufgrund der gesetzlichen Vorgaben bei den meisten Produkten selbstverständlich. Daran habe sich der Kunde gewöhnt, heißt es beim Handelsverband Deutschland. In der Praxis werde eine solche Umtauschmöglichkeit inzwischen "häufig selbstverständlich vorausgesetzt und zum Teil selbstbewusst eingefordert".

Viele Händler bemühen sich deshalb, diese Vorgabe noch zu übertreffen. So geben etwa H&M, Primark und KiK ihren Kunden vier Wochen Zeit, sich den Kauf noch einmal zu überlegen. Andere gehen noch einen Schritt weiter. Aldi Nord etwa nimmt Lebensmittel "zeitlich unbegrenzt und ohne Vorlage des Kassenbons" zurück. Auch Aldi Süd ist "jederzeit" dazu bereit. Lidl tut das Gleiche.

Der schwedische Möbelgigant Ikea bot seinen Kunden seit August 2014 unter dem Motto "Wir wollen, dass Du glücklich bist" ein unbefristetes Rückgaberecht. Gestern ruderte Ikea jedoch zurück und kündigte an, die Umtauschfrist ab dem 1. September wieder zu verkürzen: auf immer noch recht großzügige zwölf Monate. "Wir haben festgestellt, dass unsere Kunden gar keinen Bedarf für eine so lange Frist haben", begründete der bei Ikea Deutschland verantwortliche Manager Klaus Cholewa den Schritt. Weit über 90 Prozent der Kunden , die einen Artikel umtauschen wollten, kämen in den ersten zwei bis drei Monaten nach dem Kauf.

Von einem Missbrauch der im August 2014 eingeführten unbegrenzten Rückgabe wollte der Manager nicht sprechen. Das unbefristete Rückgaberecht gilt bei Ikea künftig nur noch für Produkte, die zwischen dem 25. August 2014 und 31. August 2016 gekauft wurden.

Ganz selbstlos ist die Großzügigkeit der Händler ohnehin nicht. Handelsexperte Fassnacht verweist darauf, dass auch die Unternehmen durchaus von solch kundenfreundlichen Reglungen profitieren können: "Die längeren Umtauschfristen reduzieren das Risiko für die Verbraucher und erleichtern damit die Kaufentscheidung."

Die wachsende Kundenorientierung kommt gut an. Bei einer vom Allensbach-Institut im Auftrag des HDE erstellten Studie zeigten sich rund 90 Prozent der Befragten zufrieden mit der Umtauschpraxis des Einzelhandels. Am häufigsten umgetauscht werden demnach Bekleidungs- und Elektroartikel. Erst mit weitem Abstand folgten Heimwerkerartikel, Möbel und Lebensmittel.

Gleichzeitig offenbarte die Untersuchung klare Unterschiede im Geschlechterverhalten. Frauen machen demzufolge deutlich häufiger von der Umtauschmöglichkeit Gebrauch als Männer. Und sie geben gekaufte Produkte überdurchschnittlich oft wegen Nichtgefallens zurück. Männer reklamieren dagegen häufiger defekte Produkte .

Meinung:

Ein positiver Trend

Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdorf

Gekauft heißt längst nicht mehr gekauft. Und das ist gut so. Die Möglichkeit, Ware noch längere Zeit nach dem Kauf zurückzugeben, ist ein echter Service. In diesem Fall hat der Online-Handel positiv auf die stationäre Konkurrenz ausgestrahlt. Denn wohl jeder hat schon die Erfahrung gemacht, dass ein Geschenk doch nicht wie erhofft ankam oder - gerade bei Spontankäufen - die Ware nicht mehr so gefällt, wenn man daheim ist. Das Rückgaberecht macht Einkaufen viel entspannter. Dass Ikea den unbegrenzt geltenden Service nun beschränkt, spricht nicht gegen den Trend zu mehr Großzügigkeit des Handels. 365 Tage sind nach wie vor viel Zeit, um zu überlegen, ob man das Produkt behalten oder zurückgeben will.

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