Streit um Saarbrücker Gießerei Mit Sirenengeheul gegen Prevent

Saarbrücken · Hunderte Beschäftigte von Neue Halberg Guss haben in Saarbrücken demonstriert. Ihre Botschaft: Der Eigentümer Prevent muss weg.

„Halberg Guss muss leben“ – unter diesem Motto ziehen die Mitarbeiter der Neuen Halberg Guss durch Saarbrücken.

„Halberg Guss muss leben“ – unter diesem Motto ziehen die Mitarbeiter der Neuen Halberg Guss durch Saarbrücken.

Foto: dpa/Oliver Dietze

„Wer seid ihr?“, ruft IG-Metall-Funktionär Patrick Selzer vorm Staatstheater ins Mikrofon. „Halberger!“, tönt es laut aus mehreren hundert Kehlen. Dann singen sie das Streiklied „Keiner schiebt uns weg“. Und immer wieder heult auf der Demonstration „Gerda“, die Streiksirene. Am Morgen hatte bei Neue Halberg Guss (NHG) ein 24-stündiger Streik begonnen. Die Kundgebung am Vormittag gibt den Gefühlen Raum: der Angst, der Unsicherheit, dem Unmut und der Wut auf die Prevent-Gruppe, die Mitte Januar die Gießerei übernommen hat. „Man geht mit Bauchschmerzen auf die Arbeit“, sagt einer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Die Unsicherheit zermürbt. „Schwierig, sehr schwierig“ sei die Lage für ihn und seine Kollegen, sagt Marco Gonzales. Der 41-jährige Saarbrücker beklagt, dass es immer noch keine Lösung gibt.

Hunderte Beschäftigte zogen gestern mit Trillerpfeifen und Plakaten durch die Innenstadt bis vor den Landtag und forderten Klarheit über die Zukunft ihrer Arbeitsplätze. Bei der Kundgebung und dem Protestzug seien rund 800 Menschen dabei gewesen, sagte Patrick Selzer, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Saarbrücken. Die Polizei sprach von 600 Teilnehmern.

Kundgebung Halberg Guss
8 Bilder

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Eine Zukunft für das Traditionsunternehmen – mit seinen 1500 Beschäftigten in Saarbrücken und 700 in Leipzig – sieht die IG Metall nur mit einem neuen Eigentümer. Die Prevent-Leute, „das sind die, die Zukunft zerstören, deshalb müssen sie weg“, ruft Selzer und erntet dafür johlenden Applaus. Noch lauter ist der Jubel, als Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine sagt: „Dieser Eigentümer muss weg, weil er bisher nur Unheil angerichtet hat.“ Lafontaine fordert erneut ein Eingreifen des Staates. Der „darf nicht tatenlos zusehen, wie ein Krimineller eure Arbeitsplätze zerstört“.

Die Landesregierung sichert den NHG-Mitarbeitern ihre Unterstützung zu, „auch wenn es Geld kostet“, verspricht Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD). Sie und Staatssekretär Jürgen Barke (SPD) haben sich als Vermittler in die Verhandlungen um einen Verkauf eingebracht, aber das NHG-Management hat sich bisher auf die vorgeschlagenen Lösungen nicht eingelassen. Auch Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) versichert: „Wir lassen euch nicht im Stich.“

Zwischenzeitlich hatte es Hoffnung auf einen Gesellschafterwechsel gegeben. Mit zwei Investoren schien ein Abschluss zum Greifen nah. Doch als die Geschäftsführung vergangenen Mittwoch die Schlichtung für gescheitert erklärte, sah sie aktuell auch keine Chance auf eine Einigung mit einem potenziellen Käufer. „Nach meinem Kenntnisstand sind sie aber weiterhin in Verhandlungen“ mit Interessenten, sagt Selzer. Das Unternehmen nehme dazu keine Stellung, wie ein Sprecher sagt.

Von Anfang an hatten Gewerkschaft und Betriebsrat kein Vertrauen in die neuen Besitzer. Die  Prevent-Gruppe liegt seit Jahren im Streit mit VW und Daimler – den  wichtigsten Kunden der NHG. Nachdem die NHG Lieferungen an den Hauptkunden VW unterbrochen und drastische Preiserhöhungen verhängt hatte, fürchteten die Arbeitnehmervertreter, dass die 2200 Beschäftigten zum Spielball in der erbittert geführten Auseinandersetzung zwischen Prevent und VW werden würden. Das Management versprach immer wieder einen Zukunftsplan, legte aber nur ein Kahlschlag-Konzept vor: die Schließung des Leipziger Werks bis Ende 2019 und einen Abbau von 300 Stellen in Saarbrücken. Die Arbeitnehmervertreter forderten daraufhin einen Sozialtarifvertrag, um die Folgen abzufedern, und zogen Mitte Juni in einen Streik. Nach sechs Wochen begannen Schlichtungsgespräche, die bald in Verkaufsverhandlungen übergingen.

Für Patrick Selzer liegt auf der Hand, wie die Prevent-Gruppe vorgeht, die der bosnischen Unternehmerfamilie Hastor gehört, nämlich wie eine Heuschrecke: „Man übernimmt einen Betrieb, nutzt die Abhängigkeit der Kunden und erhöht die Preise, um Kasse zu machen.“ Was immer die Geschäftsführung an Plänen für NHG vorstellt, am Ende seien dies „nichts als Lügen“, sagt er. Mit welcher Profitgier Prevent agiere, zeigen seiner Ansicht nach die Verkaufsverhandlungen. Nach der Absage an den ersten Interessenten habe die Geschäftsführung die geforderte Kaufsumme verdoppelt. Und gleichzeitig mit der Erklärung, die Schlichtung sei gescheitert, habe Prevent die Preise erhöht – um satte 65 bis 75 Prozent. Die Kunden hätten sich aber geweigert zu zahlen.

„Der Streik ist ein klares Signal an die Gesellschafter und auch an die Kunden: Wenn es hier keine gemeinsame Lösung für die 2200 Beschäftigten gibt, gibt es auch keine Teile“, sagt Selzer. Mit anderen Worten: Falls Kunden die erhöhten Preise zahlen und damit Prevent Geld in die Kassen spülen sollten, könne die Belegschaft durch Streiks eine Belieferung verhindern. Und wenn Prevent mit Lieferstopps Kunden zur Zahlung zwingen wolle, werde man nicht streiken, damit die Personalkosten bleiben. So will die IG Metall das Management zu einem Verkauf drängen. Einen harten Kampf um jeden Arbeitsplatz verspricht jedenfalls Hans Peter Kurtz, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Saarbrücken und SPD-Landtagsabgeordneter: „Es wird weitergehen, bis wir unser Ziel erreicht haben: dass Halberg Guss weiterlebt.“

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