Stahlindustrie Stahlkocher machen weiter Druck auf Brüssel

Völklingen · Durch die Proteste — auch der saarländischen — Stahlarbeiter hat Brüssel beim Emissionshandel zwar Zugeständnisse gemacht. Doch zufrieden ist die Branche nicht.

 Höhepunkt der Proteste der Stahlindustrie war im April 2016 der bundesweite Aktionstag der IG Metall mit 20 000 Teilnehmern. Auszubildende von Saarstahl trugen Masken der Comicfigur Iron Man (Eisen-Mann).

Höhepunkt der Proteste der Stahlindustrie war im April 2016 der bundesweite Aktionstag der IG Metall mit 20 000 Teilnehmern. Auszubildende von Saarstahl trugen Masken der Comicfigur Iron Man (Eisen-Mann).

Foto: picture alliance / dpa/Oliver Dietze

Die EU muss dazu übergehen, auf Stahlimporte in die Gemeinschaft eine CO2-Abgabe zu erheben. Das forderte der Stahlexperte der Gewerkschaft IG Metall, Heiko Reese, gestern auf einer Konferenz der Saarstahl-Konzernbetriebsräte in Völklingen. Nur so könne die Wettbewerbsverzerrung mit Anbietern aus anderen Regionen einigermaßen ausgeglichen werden, unter der die europäischen Stahlkocher leiden. Denn sie müssen nach dem Willen der EU-Kommission in Zukunft verstärkt CO2-Zertifikate kaufen „Dieses System des Emissionshandels gibt es nur in Europa“, obwohl in der EU der umweltfreundlichste Stahl weltweit produziert wird“, erinnerte Reese. In Europa entfalle auf eine Tonne Rohstahl 1,5 Tonnen CO2, in China, seien es 1,8 Tonnen des Klimagifts und in Indien sogar 2,2 Tonnen. Wer den europäischen Konzernen das Leben schwer mache, sorge dafür, dass Stahl in anderen Teilen der Welt unter wesentlich schlechteren Umweltbedingungen hergestellt werde.

Der Saarstahl-Vorstandsvorsitzende Fred Metzken befürchtet, dass die saarländische Stahlindustrie für die Jahre 2021 bis 2030 mehr als 70 Millionen Euro für Emissionszertifikate aufbringen muss, wenn die Pläne der EU-Kommission umgesetzt werden. „Falls das so kommt, haben wir in Riesenproblem“, sagte Metzken. Wenn dieses Geld nicht zur Verfügung stehe, könne auch weniger in den Umweltschutz investiert werden, was ökologisch ein Rückschritt wäre, „weil es für Europa dann noch schwieriger wird, seine Klimaziele zu erreichen“.

Bislang mussten die saarländischen Stahlkocher für den Emissionshandel noch nichts bezahlen, da ihnen bisher die Zertifikate kostenlos zugeteilt wurden. Außerdem gab es die Möglichkeit, diese zu horten. „Doch dieser Vorrat ist bald aufgebraucht, so dass wir vermutlich schon in diesem Jahr Geld für Verschmutzungsrechte zahlen müssen“, rechnete Armin Lauer den Betriebsräten vor. Lauer ist bei der Stahlholding Saar (SHS) für den Emissionshandel zuständig.

Auch wenn die Protestaktionen der Stahlkocher in den vergangenen Jahren dazu geführt haben, dass die Pläne der EU abgemildert wurden, „dürfen wir uns nicht auf dem Erreichten ausruhen“. Das forderte die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD). Denn in den nächsten Monaten würden die Bedingungen für die Zeit ab 2021 im Detail formuliert. „Es geht jetzt um die Halbsätze und das Kleingedruckte“, sagte sie. „Daher müssen wird dranbleiben und in Brüssel viele Gespräche führen, um die entscheidenden Leute zu überzeugen. „Sonst ist das, was wir bisher erkämpft haben, am Ende nichts wert“. Sie ist davon überzeugt, dass die Europapolitiker derzeit ein offenes Ohr für die Anliegen der Stahlkocher haben, da im kommenden Jahr das EU-Parlament neu gewählt wird. „Lasst uns dieses Zeitfenster also nutzen“, rief sie den Saarstahl-Betriebsräten zu. Auch der IG-Metall-Stahlexperte Reese forderte weitere Nachbesserungen. „Der jetzt erreichte Kompromiss liegt am unteren Ende der Mitte“, meinte er.

 Die Stahl-Fachleute Hans Jürgen Kerkhoff (Wirtschaftvereinigung Stahl, links) und Heiko Reese (Gewerkschaft IG Metall).

Die Stahl-Fachleute Hans Jürgen Kerkhoff (Wirtschaftvereinigung Stahl, links) und Heiko Reese (Gewerkschaft IG Metall).

Foto: Stahl Zentrum Düseldorf/Jakob Studnar
 Heiko Reese, Stahlexperte der IG Metall

Heiko Reese, Stahlexperte der IG Metall

Foto: IG Metall/IG MEtall

Gefahr für die europäische Stahlindustrie droht nicht allein aus Brüssel, sondern auch aus Washington. Darauf machte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, aufmerksam. Dabei schrecken ihn weniger die angedrohten Strafzölle der US-Regierung, sondern „die Umlenkungseffekte“. Will heißen, dass der Stahl, der nicht mehr in die Vereinigten Staaten exportiert werden kann, dann in Europa landet. „Erste Anzeichen sind bereits zu erkennen“, sagte Kerkhoff. Er befürchtet, dass in nächster Zeit vermehrt Stahl aus Russland und der Türkei in die EU eingeführt wird. Bislang lieferten beide Länder rund 4,9 Millionen Tonnen Stahl in die USA.

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