Bocholt Smartphones kommen auch aus Deutschland

Bocholt · Gigaset hat in Bocholt eine Produktion aufgebaut, in der Menschen und Roboter die Mobilfunkgeräte gemeinsam herstellen.

 Zunächst 2000 Handys pro Woche produziert Gigaset in seinem Werk in Bocholt. Deutlich höhere Stückzahlen sind geplant. 

Zunächst 2000 Handys pro Woche produziert Gigaset in seinem Werk in Bocholt. Deutlich höhere Stückzahlen sind geplant. 

Foto: dpa/Roland Weihrauch

() Fast lautlos zieht der Roboterarm die Miniaturschrauben an. Zur gleichen Zeit klebt Luisa Böing einen Mikrodraht fest. Wenn die 26-Jährige damit fertig ist, geht sie zur nächsten Montageposition, ein weiterer Roboter übernimmt  den darauf folgenden Arbeitsschritt. In Halle 33 im Bocholter Werks des Telefonherstellers Gigaset arbeiten Mensch und Maschine bei der Produktion von Smartphones Hand in Hand.

„Die Roboter sind fast wie Arbeitskollegen“, sagt Böing auf dem Weg zum nächsten Handgriff. „Manchmal erwischt man sich sogar dabei, dass man sie anspricht.“ Anders als an einem Fließband ist die 26-Jährige nicht nur für die immer gleiche Aufgabe zuständig, sondern für die Montage eines kompletten Geräts. „60 Prozent der Arbeit machen Roboter und Maschinen, 40 Prozent ist Handarbeit“, beschreibt Jörg Wissing, Leiter der Automatisierung im Werk, die Arbeitsteilung.

Gehäuse, Display, Lautsprecher, Akku – schon nach wenigen Minuten ist das Smartphone komplett. Dann kommt der symbolträchtige Schritt: Eine Mitarbeiterin packt das fertige Gerät in einen Pappkarton, auf dem „Made in Germany“ gedruckt ist. Zehn Jahre nach dem Ende der Handyproduktion bei Nokia in Bochum werden wieder Mobiltelefone in Deutschland gebaut. Für Gigaset ist das ein Alleinstellungsmerkmal. Bisher wurden Gigaset-Handys nur in Asien gefertigt.

Gigaset ist bekannt für seine Festnetztelefone. Doch die ehemalige Siemens-Sparte hat schwere Zeiten hinter sich. Im Bocholter Werk werden seit 1948 Fernsprecher gebaut. Zu Hochzeiten waren hier 4000 Menschen beschäftigt, jetzt sind es noch 550. Das Geschäft mit Festnetzgeräten schrumpft. Auch zu Hause greifen immer mehr Menschen nur zum Mobiltelefon. „Wir müssen uns breiter aufstellen und neue Geschäftsfelder erschließen“, folgert Finanzvorstand Stephan Mathys. Der Einstieg in den Mobiltelefonmarkt soll dazu beitragen. 20,6 Millionen Euro Umsatz kamen 2017 mit dem Smartphone-Verkauf zusammen, bei einem Gesamtumsatz von 300 Millionen Euro. „Es ist noch ein zartes Pflänzchen“, räumt Mathys ein.

Münsterland statt China, diese Konzept kann laut Kai Pastuch vom Marketing-Beratungsunternehmen Roll & Pastuch aufgehen. Konsumenten seien bereit, für Produkte aus Deutschland mehr Geld auszugeben oder sie bei ähnlichem Preis bevorzugt zu kaufen. Doch „Made in Germany“ sind die Mobiltelefone aus Bocholt nur bedingt. Alle Bauteile stammen aus Asien. „Displays aus deutsche Produktion kann man gar nicht kaufen“, sagt Automatisierungschef Wissing. Auch so entfielen 60 Prozent der Wertschöpfung auf Deutschland. 400 000 Euro hat die U-förmige Montagestation für die Smartphones gekostet, Roboter inklusive. Das macht es für Gigaset attraktiv, die Geräte im Hochlohnland Deutschland zusammenbauen zu lassen.

Noch fertigen Luisa Böing, ihre sieben Kolleginnen und Kollegen zusammen mit den Robotern 2000 Stück pro Woche an. In der Halle nebenan spucken die Produktionslinien täglich 40 000 Festnetztelefone aus. Über 23 Millionen Handys sind in Deutschland 2017 verkauft worden. Das Wachstum flacht nach Feststellung des Branchenverbands Bitkom ab, „aber speziell in der Gruppe der Älteren gibt es weiterhin Potenzial“. Auf diese Kunden zielt Gigaset mit seinem in Bocholt produzierten Android-Modell GS185, das 179 Euro kostet.

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