Anlauf für einen sozialen Arbeitsmarkt Neuer Saarland-Pakt für Langzeitarbeitslose

Saarbrücken · Vertreter von 30 Organisationen treffen sich heute, um über die Möglichkeiten des neuen Teilhabechancen-Gesetzes zu reden.

 Die Unterstützung älterer Menschen könnte eine Tätigkeit für Langzeitarbeitslose sein.

Die Unterstützung älterer Menschen könnte eine Tätigkeit für Langzeitarbeitslose sein.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Langzeitarbeitslose können ab 2019 wieder hoffen, eine Beschäftigung zu finden, die nicht wie bei den Ein-Euro-Jobs oder dem einstigen Bürgergeld spätestens nach einem Jahr enden muss. Ermöglichen soll dies das so genannte Teilhabechancen-Gesetz, das Anfang kommenden Jahres in Kraft tritt.

Damit dieses neue Gesetz im Saarland mit seinen mehr als 10 500 Langzeitarbeitslosen seine Wirkung voll entfalten kann, hat Arbeitsministerin Anke Rehlinger (SPD) einen saarländischen Beschäftigungspakt ins Leben gerufen, dessen Teilnehmer sich heute zum ersten Mal treffen. Rund 30 Institutionen gehören diesem Bündnis an, so unter anderem die Arbeitsagentur, die Jobcenter, die Vertreter der Kreise und Kommunen, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Arbeitskammer, die Kirchen und diejenigen, die seit Jahren öffentlich geförderte Arbeit organisieren.

Das neue Regelwerk ist auf Menschen zugeschnitten, die nur noch geringe Chancen haben, jemals wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Sie müssen bereits sechs Jahre von Hartz IV leben. Sie haben dann aber die Möglichkeit, dass ihnen ein regulärer Arbeitsplatz angeboten wird, in dem sie bis zu fünf Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein können – allerdings ohne Arbeitslosenversicherung.

Das können Jobs in Unternehmen, aber auch in Sozialeinrichtungen oder bei Kommunen sein. Arbeitgeber, die einen Menschen einstellen, der diese Voraussetzungen erfüllt, erhalten für die Gesamtdauer der Beschäftigung einen Lohnkosten-Zuschuss. Dieser beträgt in den ersten beiden Jahren 100 Prozent und sinkt ab dem dritten Arbeitsjahr jährlich um zehn Prozentpunkte. Arbeiten diese Frau oder der Mann in einer Firma, einer Kommune oder in einer sozialen Einrichtung, in der nach Tarif gezahlt wird, erhalten sie auch das Tarifentgelt, ansonsten wird der Mindestlohn gezahlt.

Um diese Maßnahmen zu finanzieren, bekommen die Jobcenter bis zum Jahr 2022 rund vier Milliarden Euro. Der DGB Saar hat ausgerechnet, dass davon rund 74,9 Millionen Euro ins Saarland fließen. 2019 sollen es nach Angaben des St. Wendeler Landrats Udo Recktenwald (CDU) 11,4 Millionen Euro sein. Für ihn ist das neue Gesetz „ein Anfang, aber nicht das, was wir brauchen“. Über das 2015 aufgelegten Bundesprogramm „Soziale Teilhabe“, das ebenfalls auf die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen abzielte, habe das Jobcenter des Landkreises knapp 630 Leuten Arbeit beschaffen können. „Diese Zahl werden wir mit dem neuen Gesetz nicht erreichen.“ Denn sein Jobcenter werde im kommenden Jahr nur 100 000 Euro erhalten, weil im Kreis St. Wendel mit einer Arbeitslosenquote von drei Prozent, „fast Vollbeschäftigung herrscht“. Das Jobcenter im Regionalverband Saarbrücken, wo die sozialen Probleme wesentlich größer sind, könne hingegen über 7,2 Millionen Euro verfügen.

Auch der Sozialverband VdK ist mit dem Erreichten nicht zufrieden. „Unter anderem passt uns die Befristung auf fünf Jahre nicht“, kritisiert VdK-Landesgeschäftsführer Peter Springborn. Die fehlende Arbeitslosenversicherung führe zudem dazu, „dass viele wieder in Hartz IV zurückfallen, wenn die Zeit der Förderung vorbei ist“. Der VdK fordert von den Mitgliedern des Beschäftigungspakts, dass sie die Nachqualifizierung der Menschen, die durch das neue Gesetz wieder Arbeit erhalten, in den Fokus rücken. „Ziel muss sein, dass sie am Ende einen anerkannten Berufsabschluss haben“, sagt der VdK-Landesvorsitzende Armin Lang.

Welche Arbeit kommt für diese Menschen überhaupt infrage? Monika Steffen-Rettenmaier, Geschäftsführerin der Neuen Arbeit Saar (NAS), hat einige Ideen. „Wir können zum Beispiel Sozialkaufhäuser auf dem Land fördern“, sagte sie kürzlich auf einer Veranstaltung in Berlin zum 40-jährigen Bestehen der NAS. „Denn in vielen Dörfern gibt es keine Versorgung mehr“. Die Frauen und Männer könnten auch als Helfer für ältere Menschen eingesetzt werden, um ihnen Alltagsverpflichtungen abzunehmen.

Die Integration in Firmen „wird hingegen schwierig“, meint Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU). „Denn der Betreuungsaufwand dürfte gerade am Anfang sehr hoch sein.“ In vielen Betrieben fehle dazu die Zeit.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort