Autostudie Saarland Saar-Auto-Firmen haben zehn Jahre für den Wandel

Saarbrücken · Der Wandel in der Autoindustrie geht schnell voran. Wenn Saar-Unternehmen mithalten wollen, müssen sie sich bereits jetzt darauf einstellen.

 Ford-Focus-Produktion in Saarlouis. Die Autoindustrie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Saarland.

Ford-Focus-Produktion in Saarlouis. Die Autoindustrie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Saarland.

Foto: picture alliance / dpa/Oliver Dietze

Saarländische Firmen aus dem Automobil-Sektor müssen sich bereits jetzt auf den Strukturwandel der Branche einstellen, wenn sie auch künftig noch konkurrenzfähig bleiben wollen. Das zeigt die „Zukunftsstudie Autoland Saarland“, die heute in der Staatskanzlei vorgestellt wurde. Die Studie, die von den Instituten IW Consult und Fraunhofer IAO erstellt worden ist, bescheinigt der Autoindustrie im Saarland grundsätzlich ein gutes Zukunftspotenzial. Allerdings dürften die Unternehmen nicht beim Status Quo verharren, sondern müssten sich bereits jetzt auf die Veränderungen einstellen.

Trends verändern die Industrie

Elektrifizierung, Automatisierung und Vernetzung – diese drei Trends werden nach Ansicht der Forscher bis 2030 die Autoindustrie nachhaltig verändern. Der klassische Verbrennungsmotor werde zwar im wahrscheinlichsten Szenario weltweit noch immer 42 Prozent der Neuzulassungen ausmachen, doch bereits 21 Prozent der Neu-Fahrzeuge werden demnach reine E-Autos sein. Vor allem China werde dabei ein treibender Markt sein, sagt Karl Lichtblau, Geschäftsführer bei IW Consult.

 Der Anteil der Verbrenner-Motoren mit Benzin und Diesel wird bis 2030 deutlich zurückgehen, zeigt die Studie.

Der Anteil der Verbrenner-Motoren mit Benzin und Diesel wird bis 2030 deutlich zurückgehen, zeigt die Studie.

Foto: dpa/A3216 Peter Kneffel

Zahl der E-Autos nimmt deutlich zu

Drei Szenarien haben die Forscher für die Studie zugrunde gelegt: Ein Basis-Szenario, das von einem Marktwachstum von zwei Prozent ausgeht, ein kritisches Szenario, bei dem das Wachstum nur noch ein Prozent beträgt, und ein disruptives Szenario, demzufolge 2030 nur noch E-Autos zugelassen würden. Schon die Entwicklung im Basisszenario zeigt, dass die stark auf den Antriebsstrang ausgerichtete Saar-Autowirtschaft sich umstellen muss. Denn auch in diesem optimistischen Szenario ist der Verbrennungsmotor mit einem Umsatz-Minus von 9,3 Prozent der Verlierer, ebenso die Hersteller von Nebenaggregaten, die 10,8 Prozent weniger Umsatz einfahren.

Deutliche Zuwächse dagegen haben Unternehmen, die in Abgasbehandlung und Effizienztechnik engagiert sind, hier ist ein Plus von fast 81 Prozent zu erwarten, Zuwächse gibt es naturgemäß auch in den Bereichen Elektrische Maschine (+ 37 Prozent), Leistungselektronik (+ 43,6 Prozent) und Batterie (+ 159,7 Prozent). Im kritischen Szenario würde der Verbrenner sogar ein Fünftel seines Umsatzes einbüßen, bei einer Voll-Umstellung auf E-Autos komplett einbrechen.

 Autonomes Fahren ist ein entscheidender Treiber der künftigen Auto-Entwicklung.

Autonomes Fahren ist ein entscheidender Treiber der künftigen Auto-Entwicklung.

Foto: dpa/Daniel Naupold

„Die Zahlen zeigen, dass die Unternehmen sich selbst beim optimalen Szenario bereits jetzt auf erhebliche Umsatzverschiebungen einstellen müssen“, sagt Lichtblau. Denn das Basis-Szenario sei keine beliebige Annahme, sondern die in der Wissenschaft aktuell als wahrscheinlich angenommene Entwicklung des Automarktes.

Handlungsbedarf für Saar-Firmen

Für das Saarland ergebe sich angesichts der Studie akuter Handlungsbedarf, sagt Florian Herrmann, Auto-Experte bei Fraunhofer IAO. „Die Veränderungen im recht kurzen Zeitraum von nur zwei Auto-Generationen zeigen, dass die Firmen keine Zeit mehr haben, sich auszuruhen.“

Bei einer Analyse der saarländischen Schwerpunkte zeigt sich, dass das Saarland bisher wenig zukunftsorientiert aufgestellt ist. „Das Saarland ist stark, wo die Aussichten schwach sind, und schwach, wo die Aussichten stark sind“, sagt Lichtblau. Konkret heißt das: Am Weltmarkt punktet die Saar-Industrie vor allem mit Motor-Komponenten, Getriebe und Abgas-Systemen, die nach und nach durch die E-Technik verdrängt werden. Bei Verbrennungsmotoren hat das Saarland einen Marktanteil von fast einem Prozent, bei Abgasbehandlung 0,9 Prozent, bei Getrieben sogar fünf Prozent.

Bei der Ladetechnik, Elektrischen Maschinen, Leistungselektronik oder Sensorik, also Zukunftsfelder sowohl bei E-Autos wie in den Bereichen Vernetzung und Autonomes Fahren sind die Unternehmen aktuell eher schwach aufgestellt. Hier liegen die Marktanteile zwischen 0,1 und 0,4 Prozent. Und das, obwohl die Forschung gerade in diesen Bereichen gut aufgestellt ist.

Optionen für Unternehmen und Politik

Um die Autoindustrie zukunftsfest zu machen, zeigen die Studienautoren mehrere Handlungsoptionen für Unternehmen und die Politik auf. Weil bei vielen Unternehmen die bisherigen Geschäftsmodelle unmittelbar bedroht seien, gelte es nun, neue Optionen zu finden. Diese liegen einerseits in der künftigen Auto-Technik, doch für viele Firmen werde das nicht ausreichen. „Die Unternehmen müssen sich auch in andere Bereiche orientieren“, sagt Herrmann.

Hier sei die hohe Industrie-Kompetenz des Landes und die bereits hohe Durchdringung mit Industrie-4.0-Technik von Vorteil, schreiben die Forscher. Aufgabe der Wirtschaftsförderung müsse dabei sein, die Firmen bei der Suche neuer Märkte und Geschäftsbeziehungen zu begleiten. Um die Firmen in ihrem Bestand zu sichern, sei es gleichzeitig nötig, dass die politische Führung einen direkten Kontakt in die Unternehmenszentralen pflegt, sagt Lichtblau: „Wenn Eberspächer beispielsweise weltweit ein neues Projekt ausschreibt, muss die Saar-Politik das wissen“, sagt er. Und die Wirtschaftsförderung müsse sich um die Ansiedlung neuer Firmen in Bereichen kümmern, die aktuell noch schwach besetzt sind, wie beispielsweise Vernetzungs-Technik.

Foschungskompetenz als wichtiger Faktor

Als weiteres wichtiges Handlungsfeld nennt die Studie die bessere Vernetzung von Forschung und Unternehmen. Das Saarland sei in seiner Grundlagenforschung führend – diese auch in den Markt zu bringen, sei eine zentrale Aufgabe. Und entsprechend Kooperationen zwischen Industrie und Forschung zu fördern. Das Saarland habe viele innovative Projekte für die Mobilität der Zukunft, deren Marktpotenzial nicht ausreichend genutzt sei. Auch für die abfließende Wertschöpfung – durch die Konzernanbindung vieler Firmen bleiben nur 42 Prozent der Wertschöpfung im Land – haben die Studienautoren einen Vorschlag: Eine stärkere Vernetzung der Unternehmen untereinander würde auch mehr Wertschöpfung im Land halten.

Standort muss attraktiver werden

Grundansatz allerdings sollte immer sein, die Standort-Attraktivität zu erhöhen. Ein erster Schritt ist es, Studenten attraktive Studiengänge anzubieten, diese durch attraktive Arbeitsplätze zu halten, und gleichzeitig Unternehmen durch eine intensive Ansiedlungspolitik ins Land zu holen. Neugründungen wiederum könnten mit speziellen Auto-Gründungs-Inkubatoren direkt an die bestehende Autoindustrie angebunden werden.

Bundesweite Bedeutung der Saar-Industrie

Die Studie zeige allerdings auch, wie wichtig die Autoindustrie im Saarland über die Grenzen hinweg ist. 260 Unternehmen haben die Forscher in dieser Gruppe zusammengefasst – darunter auch branchenfremde Firmen wie beispielsweise Maschinenbauer, die aber vor allem in diesem Bereich aktiv sind. Fast 17 Milliarden Umsatz pro Jahr entfielen auf das Auto-Cluster, sagt Lichtblau. Bundesweit, so Lichtblau, hängen von der saarländischen Autoindustrie 178 000 Arbeitsplätze ab.

Für die Studie haben IW Consult und Fraunhofer IAO die globale Entwicklung des Automarktes analysiert und in drei Zukunftsszenarien bis 2030 fortgeschrieben. Für die Situations- und Potenzialanalyse der saarländischen Autoindustrie haben die Forscher 70 sogenannte Tiefeninterviews geführt, zehn davon mit Forschungseinrichtungen rund um die Auto-Industrie. Außerdem wurden mit zusätzlichen Fragebögen Daten der insgesamt 260 Unternehmen des saarländischen Auto-Clusters erhoben.

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