Flugindustrie Ryanair setzt auf baldigen Stillstand bei Air Berlin

Frankfurt · Wegen mangelnder Pünktlichkeit will Ryanair Flüge streichen. Doch ein Luftfahrtexperte meint: Die Flugausfälle haben mit Air Berlin zu tun.

 Ryanair hat angekündigt, rund 2000 Flüge zu streichen.

Ryanair hat angekündigt, rund 2000 Flüge zu streichen.

Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

() Der Billigflieger Ryanair ist wegen angekündigter Flugstreichungen heftig in die Kritik geraten. Die EU-Kommis­sion mahnte die Iren gestern, die europäischen Verbraucherrechte der Passagiere zu achten. Diese hätten bei der Absage eines Flugs eine Reihe von Ansprüchen, sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel.

Ryanair hatte angekündigt, täglich bis zu 50 der mehr als 2500 Flüge zu streichen. Bis Ende Oktober wären das insgesamt rund 2000 Verbindungen. Offizielle Begründung des Unternehmens: Man wolle die eigene Pünktlichkeit verbessern und müsse zudem Urlaubsansprüche der Crews berücksichtigen.

Doch an dieser Begründung wurden Zweifel laut. Statt einer verfehlten Personalplanung könnten nach Ansicht von Experten auch massenhafte Kündigungen von Piloten oder eine strategische Entscheidung zur Air-Berlin-Insolvenz hinter den Flugstreichungen stehen.

Ein Luftfahrtexperte sieht die vorgebrachten Gründe für die Flugausfälle als womöglich nur vorgeschoben an: Ryanair bereitet sich nach Einschätzung von Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne auf den möglichen Fall vor, dass die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrieb aus Geldmangel vorzeitig einstellen muss.

„Im Fall eines vorzeitigen „Groundings“ der Air Berlin müssten die begehrten Start- und Landerechte vom zuständigen Koordinator der Bundesrepublik sofort neu vergeben werden“, sagte Wissel. Den Zuschlag könnten aber nur Gesellschaften erhalten, die dann auch mit entsprech­enden Flugzeugen die Strecken tatsächlich fliegen könnten. Dafür wolle Ryanair einige Maschinen in der Hinterhand haben, schätzt Wissel.

Laut Aussagen der Gewerkschafts-Vereinigung Cockpit gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“ suchen Ryanair-Piloten aktuell aber durchaus massenhaft das Weite. Sie würden versuchen, bei anderen Gewerkschaften anzuheuern, hieß es. Ryanair versuche, die Piloten mit einem Loyalitätsbonus bei der Stange zu halten.

Ryanair-Chef Michael O‘Leary kündigte gestern bei einer Analystenkonferenz in London an, er rechne durch die Flugstreichungen mit einem negativen Ergebniseffekt von „unter fünf Millionen Euro“. Die Ausgleichsansprüche bezifferte der Manager auf bis zu 20 Millionen Euro. O‘Leary räumte aber ein, dass die Streichungen das Image von Ryanair beschädigen könnten.

Nach einschlägigen EU-Regeln aus dem Jahr 2004 müssen Fluglinien ihre Kunden mindestens zwei Wochen vor Abflug über eine Streichung informieren. Ist die Frist kürzer, müssen sie den Passagieren eine neue Verbindung anbieten. Je weniger Zeit bis zum gebuchten Abflug bleibt, desto weniger Spielraum hat die Airline: Werden Kunden weniger als sieben Tage vorher unterrichtet, darf der Ersatzflug nicht mehr als eine Stunde früher abgehen und nicht mehr als zwei Stunden später ankommen als die ursprünglich gebuchte Verbindung.

Schafft die Fluglinie das nicht, muss sie den Kunden entschädigen, wie die Kommission klarstellte. Man erwarte, dass sich Ryanair daran halte, sagte der Sprecher. Für die Durchsetzung der Rechte zuständig seien aber nationale Behörden, in Deutschland das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig.

(dpa)
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