Umbruch in der Autoindustrie Neue Chancen für Bosch-Werk in Homburg

Homburg · Das saarländische Werk des Autozulieferers bekommt den Zuschlag zum Bau von Teilen für Brennstoffzellen.

 Die Diesel-Krise trifft Bosch in Homburg hart. Die Mitarbeiter fertigen Injektoren, die Diesel in den Motorraum spritzen (Fotoquelle: Bosch).

Die Diesel-Krise trifft Bosch in Homburg hart. Die Mitarbeiter fertigen Injektoren, die Diesel in den Motorraum spritzen (Fotoquelle: Bosch).

Foto: Raphael Maass

Das Homburger Bosch-Werk, das schwer unter der Diesel-Krise leidet, sieht ein wenig Licht am Ende des Tunnels. „Das Werk hat den Zuschlag erhalten für die vorindustrielle und industrielle Fertigung verschiedener Bauteile der Brennstoffzelle“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Oliver Simon. „Es ist ein erster und kleiner Schritt, aber ein wichtiger Schritt und endlich wieder einer, der in die richtige Richtung geht“, betont Simon.

Denn im Homburger Werk des Autozulieferers wurde nach Darstellung des Betriebsrat von der Jahrtausendwende an nur noch ein Gang eingelegt – der Rückwärtsgang. „Seit dem Jahr 2001 wurden bei Bosch am Standort in Homburg 2000 Arbeitsplätze abgebaut“, bilanziert Ralf Reinstädtler, 1. Bevollmächtigter der IG-Metall-Verwaltungsstelle Saar-Pfalz. Heute sind im Werk noch gut 4000 Frauen und Männer beschäftigt.

 Oliver Simon, Betriebsratsvorsitzender des Bosch-Werks Homburg

Oliver Simon, Betriebsratsvorsitzender des Bosch-Werks Homburg

Foto: Lothar Warscheid

Ähnlich erging es der Schwestergesellschaft Bosch Rexroth, die unter anderem auf Hydraulik-Komponenten spezialisiert ist. Seit dem Zusammenschluss von Mannesmann Rexroth im Jahr 2001 mit dem Geschäftsbereich Automatisierungstechnik von Bosch, „wurde in Homburg die Belegschaft fast halbiert – von 1100 im Jahr 2002 auf aktuell etwa 600“, sagt der dortige Betriebsratschef Stephan Huber.

Die saarländischen Bosch-Belegschaften „sind überzeugt, dass sie Brennstoffzelle können“, versichert Betriebsrat Simon. „Das ist ein sehr komplexes Bauteil. Doch wir beherrschen schon heute die Fertigung einzelner Elemente.“

Von der Politik fordern die Bosch-Arbeitnehmervertreter, „dass es an der Zeit ist, die Diskussion um die Zukunft der Mobilität ergebnisoffen zu führen“. Es sei falsch, stets nur der Elektromobilität den Vorzug zu geben und sich auf Fahrverbote zu fokussieren. „Die Brennstoffzelle muss genauso gefördert werden wie das E-Auto“, fordern die Betriebsräte. Es werde mit zweierlei Maß gemessen. Beim Verbrennungsmotor werde der Schadstoff-Ausstoß am Auspuff akkurat erfasst. Batterie-Autos hingegen würden per se mit null Emissionen bewertet, „obwohl deren eigentlicher Auspuff der Schornstein des Kohlekraftwerks ist“. Darüber hinaus müsse damit Schluss sein, die Diesel-Technik schlecht zu reden. „Der Diesel hat aufgrund seiner Sparsamkeit und des niedrigen CO2-Ausstoßes das Zeug dafür, eine neue Blütezeit zu erleben“, sagt Simon.

Davon ist derzeit allerdings wenig zu spüren. Im Pkw-Bereich „gehen die Abrufzahlen für Diesel-Einspritzsysteme weiter zurück“, sagt der Homburger Betriebsratschef. Lediglich bei den Nutzfahrzeugen sei eine Stabilisierung erkennbar. Das wirke sich auch auf die Arbeitsplanung aus. In diesem Jahr würden alle Brückentage, die zwischen einem Feiertag und einem Wochenende liegen, ausgenutzt, um die Fertigung zurückzufahren. Das gelte auch für die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester. Außerdem sollen möglichst viele Bosch-Mitarbeiter die neue Wahlfreiheit zwischen mehr Geld und mehr Freizeit in Anspruch nehmen, indem sie sich für die freien Tage entscheiden.

Dass das Homburger Bosch-Werk bei der Brennstoffzelle mitmachen darf, „war alles andere als selbstverständlich“, sagt Reinstädtler. Denn die Geschäftsführung des Bosch-Bereichs „Mobility Solutions (Mobilitäts-Lösungen)“ hätte versucht, die drei Werke, die ihr Geld mit Komponenten rund um den klassischen Verbrennungsmotor verdienen, „gegeneinander auszuspielen“, sagt Simon. Das sind die Fabriken in Stuttgart-Feuerbach (15 000 Mitarbeiter), Bamberg (8000 Mitabeiter) und als kleinstes Werk Homburg. Diese firmieren unter Powertrain Solutions (Antriebslösungen). So habe die Geschäftsführung unter anderem als Voraussetzung für den Zuschlag zur Brenstoffzellen-Fertigung verlangt, dass die wöchentliche Arbeitszeit in dem interessierten Werk auf bis zu 30 Stunden verkürzt werden sollte. Die monatliche Entgelthöhe sollte zwar gleich bleiben, aber durch ein Abschmelzen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld kompensiert werden. „Diese Forderung ist inzwischen vom Tisch“, sagt Simon.

Zuvor hatten die Betriebsräte der drei Werke in einem Papier, der Bamberger Erklärung, schon Mitte Februar deutlich gemacht, „dass zwischen allen Betriebsratsgremien und Belegschaften kein Blatt Papier passt“. In dieser Erklärung schlossen sie auch betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2030 aus. „Diese Forderung ist nicht verhandelbar“, macht Bosch-Betriebsrat Simon deutlich. Darüber hinaus machen sich die Arbeitnehmer-Vertreter dafür stark, dass unabhängig von der jetzt getroffenen Standort-Entscheidung für die Brennstoffzelle „weitere Perspektiven erarbeitet werden“. Ferner sollen Arbeiten, die an Fremdfirmen vergeben wurden, wieder zurück in die Werke geholt werden.

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, werden sich die Bosch-Beschäftigten am kommenden Montag, 18. März, ab 11.30 Uhr im Rahmen einer „aktiven Mittagspause“ vor dem Sportzentrum in Homburg-Erbach treffen. Dort wollen sie die Forderungen für ihr Werk „noch einmal offensiv vertreten“, sagt IG-Metaller Ralf Reinstädtler.

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