Krise im Dillinger Kunstverein

Dillingen · Ist nach 36 Jahren Vereinsgeschichte Schluss? Der Künstler Francis Berrar wollte die Erneuerung, doch er zieht sich nach nur drei Jahren frustriert aus dem Vorstand des Dillinger Kunstvereins zurück. Ein Nachfolger ist bisher nicht in Sicht. Es droht die Vereinsauflösung.

 Reizvoller Ort, aber keiner für zeitgenössische Kunst? Das Alte Dillinger Schloss. Foto: Walter Neyses

Reizvoller Ort, aber keiner für zeitgenössische Kunst? Das Alte Dillinger Schloss. Foto: Walter Neyses

Foto: Walter Neyses

Gerhard Leonardy (82) dachte, er habe alles richtig gemacht. Als sich Ermattungs- und Überalterungserscheinungen des von ihm vor mehr als drei Jahrzehnten gegründeten und ebenso lange geführten Dillinger Kunstvereins zeigten, stellte er die Uhren um. Der frühere Bürgermeister von Dillingen wollte eine Revitalisierung und Verjüngung.

2013, am Ende des Übergabeprozesses, stellte sich der profilierte Künstler Francis Berrar (Überherrn) ans Ruder im Alten Dillinger Schloss, das der Kunstverein zu einer anerkannten Kunstadresse gemacht hatte. Berrar leistete Programmprofilierung und Qualitätssteigerung, organisierte Ausstellungen von Oskar Holweck über Axel Geis bis Damien Deroubaix. Doch nun wirft er hin, der Kunstverein steht vor der Auflösung. Wie das?

Berrars Erfahrungsbilanz lässt sich auf folgende Formel bringen: zu wenig vereinsinterne Unterstützung, zu wenig Geld, zu wenig Besucher. "Die gesamte Arbeit blieb an mir hängen", sagt Berrar, er meint Sponsorensuche, Künstlerbetreuung und Ausstellungshängung. Der Vorsitz, ein einsames Geschäft. Laut Berrar wurden im Dezember alle Mitglieder über seinen Rückzug und die Notwendigkeit einer Neuwahl informiert. Doch zur Versammlung seien nur sechs von rund 50 Mitgliedern gekommen. Keiner war zur Kandidatur bereit.

Doch am meisten hat Berrar das Desinteresse an der Kunst frustriert. Beim wichtigen chinesischen Künstler He Wei Ming seien nur mehr 30 Besucher gekommen: "So etwas trifft mich ganz persönlich", sagt Berrar. "Es ist egal, wen man bringt, es ist nichts zu machen." Berrar hält diesen Befund "für das Saarland lamentabel". Erklärungen hat er nicht und sucht auch keine Schuldigen. Er will nur noch "in Würde aufhören", hat angeboten, noch eine Weile im Amt zu bleiben. Eine Vereinsversammlung soll am 30. März stattfinden. Doch bereits jetzt ist das Ausstellungsangebot für das laufende Jahr gecancelt. Ein Kunstort verödet.

"Wir wissen uns keinen Rat", sagt Gerhard Leonardy, der die Auflösung des Vereins um jeden Preis verhindern möchte. Letztere könnte die nächste Mitgliederversammlung mit Zweidrittelmehrheit beschließen. Hat sich der Kunstverein überlebt? Ist die Zeit reif für eine finale Zäsur? Dies alles sieht Leonardy sehr wohl.

Andererseits stemmt er sich gegen den Untergang: "Ich möchte das Ganze nicht ohne Kampf im Abgrund versinken sehen." Er appelliert an die Künstler- und Kunstszene, sich zu engagieren.

Doch selbst wenn der Verein fortlebt, wie sollte dann das Programm aussehen? Weder der frühere, eher auf bekanntere saarländische Namen ausgerichtete Spielplan noch der Berlin-lastige von Berrar hatten Erfolg. Die nicht eben besucherorientierten Öffnungszeiten dürften dazu beigetragen haben. Doch wie aus dem klammen Budget - 2000 Euro pro Ausstellung - mehr Aufsichten finanzieren? Willi Schmitz (82) vom Förderverein Dillinger Schloss, der Leonardy bei der Vorstandssuche unterstützt, meint, Berrar habe das saarländische Publikum falsch eingeschätzt. Zu den Vernissagen seien früher immer bis zu 100 Leute gekommen und es seien dann auch Bilder verkauft worden, wenn Künstler mit regionaler Verwurzelung und Klientel ausgestellt hätten. "Wir können in Dillingen nicht immer nur Bundesliga spielen", meint Schmitz. Doch braucht man für die dritte Liga noch einen Kunstverein?

Meinung:
Rettung durch Fusion

Von SZ-RedakteurinCathrin Elss-Seringhaus

Es ist ehrenwert, gegen eine Auflösung des Kunstvereins zu kämpfen. Klug ist es nicht. Der Verein hatte eine solide Chance zur Erholung, doch er blieb im Kunst-Abseits. Das wird auch der nächste Vorsitzende nicht ändern, also verfehlt der Verein sein Satzungsziel, "Gegenwartskunst einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich" und "saarlandweit auf sich aufmerksam zu machen". Konsequenz? Aufhören. Oder mit dem Förderverein fusionieren und ein Programm entwickeln, das keinem Kunstverein-Anspruch folgt, sondern lokalen Ausstellungswünschen folgt.

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