Serie Ausbildung 2018 Junge Herrscherin über 1000-PS-Kolosse

Dillingen · Katharina Piotrowski will Lokrangierführerin werden. Es ist eine Männerdomäne. Nur 19 Frauen üben bundesweit diese Tätigkeit aus.

 Die angehende Rangierlokführerin Katharina Piotrowski an ihrem Arbeitsplatz im Dillinger Bahnhof.

Die angehende Rangierlokführerin Katharina Piotrowski an ihrem Arbeitsplatz im Dillinger Bahnhof.

Foto: Rich Serra

Konzentriert schaut Katharina Piotrowski nach vorne, die Lichtsignale immer im Blick. Sie nähert sich ihrem Ziel und mit viel Fingerspitzengefühl bremst sie langsam ab. Es ruckelt kurz. Danach steigt sie aus der Kabine, läuft das Gleisbett entlang und schlüpft zwischen ihre über tausend PS starke Rangierlok und die Güterwagen, um die Schläuche miteinander zu verbinden. Piotrowski trägt einen Helm und Warnschutzbekleidung. Denn ungefährlich ist ihr Job keineswegs. Und doch ist Lokrangierführerin ihr „Traumberuf seit der siebten Klasse“, sagt die 18-jährige aus Saarburg, die Ende Juni ihre Ausbildung bei DB Cargo in Dillingen beendet.

Piotrowski sorgt dafür, dass der Güterverkehr auf den Schienen im Rollen bleibt. Die Kontrolle über manchmal hunderte Meter lange Züge mit tausenden Tonnen Ladung birgt eine hohe Verantwortung, auch wenn es nur kurze Strecken oder die Gleise innerhalb des Bahnhofs betrifft. Gerade das macht diesen Beruf für sie aber so interessant. Neben den Rangierfahrten, bei denen sie Wagen den jeweiligen Zielorten entsprechend zu Zügen zusammenstellt, ist es Piotrowskis Aufgabe, für Betriebssicherheit zu sorgen. Vor jeder Fahrt muss sie die Wagen prüfen und Bremsproben durchführen. Anschließend fertig sie Bremszettel an, auf denen sie alle bremstechnischen Daten der Wagen erfasst.

Grundvoraussetzung für diesen Beruf ist die Begeisterung für Technik und handwerkliche Arbeit. Und wenn es mal zu Unregelmäßigkeiten oder Störungen an den Maschinen und auf dem Gleis kommt, muss Piotrowski diese sofort erkennen und gegebenenfalls selbst beheben. Zwar wird sie während der Ausbildung bei jeder Fahrt von ihrem Ausbilder begleitet. Später ist sie aber alleine unterwegs.

„Ich bin immer mit dem Zug zur Schule gefahren. Dadurch wuchs mein Interesse, einmal hinter die Kulissen zu schauen“, begründet Piotrowski ihre frühe Begeisterung für den Beruf im Eisenbahnbetrieb. Doch es war weniger der Personenverkehr als vielmehr die langen Güterzüge, die sie reizten. Sie sprach mit mehreren Bekannten, die in diesem Bereich arbeiten, und informierte sich über die verschiedenen Berufszweige. Nach ihrer mittleren Reife begann sie dann die Ausbildung zur Lokrangierführerin. Bei jedem Wetter draußen arbeiten, sich dreckig machen, Schichtdienst – das alles mache ihr nichts aus, sagt sie lächelnd. „Die Anforderungen sind besonders, denn die Arbeit ist sehr anspruchsvoll“, sagt Stefan Schneider, Gruppenleiter Triebfahrzeugführer und Lokrangierführer. Bewerber müssten ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein mitbringen, sich außerdem sehr gut konzentrieren und beobachten können, um den Überblick auf den Gleisen zu behalten. Außerdem ist es Teamarbeit, die den Betrieb am Laufen hält. Es herrsche ein gewisser Zeitdruck, und damit die Fahrpläne und alle Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden, müsse man sich aufeinander verlassen können.

Jeder Bewerber muss zunächst einen Online-Test absolvieren, in dem die Fähigkeiten und die Arbeitshaltung eingeschätzt werden. Außerdem gibt es eine medizinische und psychologische Eignungsuntersuchung. Zu der Ausbildung gehört auch der Eisenbahnfahrzeugführerschein. Erst mit dem Bestehen der Abschlussprüfung und in der Regel einem Mindestalter von 21 Jahren darf alleine gefahren werden. Durch einen vom Eisenbahn-Bundesamt genehmigten Antrag sind nach der Ausbildung auch Rangierfahrten ohne Begleitung ab 18 Jahren erlaubt. Wie in Piotrowskis Fall.

1486 Lokrangierführer arbeiten bundesweit bei DB Cargo, 19 von ihnen sind Frauen. Und obwohl Piotrowski zurzeit die einzige Auszubildende in diesem Beruf im Saarland ist, fühle sie sich nicht als Exotin, denn immer mehr Frauen interessieren sich für technische Berufe. Lokrangierführer kann auch nur ein Einstieg sein. Nach erfolgreicher Prüfung, wird jeder Auszubildende übernommen, und es gibt diverse Weiterbildungsmöglichkeiten. So kann Piotrowski später beispielsweise selbst Ausbilderin werden, in den kaufmännischen Bereich wechseln oder ein duales Studium absolvieren. Zunächst aber „will ich einige Zeit fahren“, sagt sie erwartungsvoll.

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