Saar-Hütten nehmen weltweiten Wettbewerb an „Ich glaube, wir können eigenständig bleiben“

Dillingen/Völklingen · Der scheidende Vorstandssprecher von Dillinger Hütte und Saarstahl sieht die Unternehmen gut vorbereitet auf härteren Wettbewerb.

 Zum Abschied seines aktiven Berufslebens blickt Fred Metzken optimistisch auf die Zukunft der beiden Unternehmen Dillinger Hütte und Saarstahl. Die jüngsten  Investitionen hätten dafür die Grundlage gelegt.

Zum Abschied seines aktiven Berufslebens blickt Fred Metzken optimistisch auf die Zukunft der beiden Unternehmen Dillinger Hütte und Saarstahl. Die jüngsten  Investitionen hätten dafür die Grundlage gelegt.

Foto: Oliver Dietze

Ende August wird Fred Metzken nach über 30 Jahren in der saarländischen Stahlindustrie, zuletzt als Vorstandssprecher der Dillinger Hütte und von Saarstahl, aus dem operativen Geschäft ausscheiden. Beide Standorte sieht er von der Qualität her hervorragend aufgestellt. Trotz des härteren weltweiten Wettbewerbs glaubt Metzken, dass die Saar-Hütten eigenständig bleiben.

Weltweit stehen die Verhältnisse auf dem Kopf. US-Präsident Trump verhängt Strafzölle, die Chinesen sind plötzlich für freien Welthandel. Wie seriös ist das, zumal die Chinesen mit Stahl die Weltmärkte überschwemmen und so europäische Stahlhersteller schwächen?

METZKEN Die Chinesen verringern schon teilweise eigene Stahl-Kapazitäten und schließen besonders umweltschädliche Werke. Freihandel im Stahl wird auch von den Chinesen genutzt. Wenn Trump den US-Markt für Einfuhren blockiert, werden die Chinesen ihre Stahlexporte umlenken, besonders nach Europa. Die Herausforderung ist, wie wir das einschränken können.

Empfinden Sie die Chinesen als seriöse Gesprächspartner?

METZKEN Das würde ich so sagen. Wir exportieren auch von Saarstahl aus höhere Stahlmengen nach China zu chinesischen Partnern. Diese Geschäftsbeziehungen sind gut.

Wie sicher sind die europäischen Stahlhersteller jetzt aufgestellt?

METZKEN Von der Qualität her hervorragend, auch die Dillinger Hütte und Saarstahl. Chinesen können ebenfalls guten Stahl produzieren. Die Kosten sind entscheidend. Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben.

Wie gut aufgestellt sind die Saar-Hütten im Wettbewerb?

METZKEN Mit ihrer Qualität ganz vorne. Beide Hütten sind Premium-Hersteller mit Hightech-Produkten und einer Präsenz auf zahlreichen Märkten weltweit. Wir fahren zur Zeit auf allen unseren Anlagen bei Saarstahl und Dillinger Hütte Produktionsrekorde ein. Von der Menge, der Qualität, der Kundennähe und dem Service her werden unsere Produkte stark nachgefragt. Wir sind seit Jahren besser ausgelastet als unsere Konkurrenz.

Als saarländischer Stahlhersteller sind wir eher klein im Vergleich zu großen Wettbewerbern. Ist das strategisch ein Vor- oder Nachteil?

METZKEN Ein Nachteil ist sicher, dass wir unsere Rohstoffe ins Land bringen müssen. Das gleichen wir mit Wissen und ständiger Kostendisziplin aus. Wir müssen stets eine hohe Auslastung fahren.

Dennoch schließt sich selbst ein großer Hersteller wie Thyssenkrupp mit einem Partner zusammen. Können wir auch auf längere Sicht selbstständig bleiben?

METZKEN Ich glaube, wir können eigenständig bleiben. Wir sind für große Prozesse einer Konsolidierung zu klein. Wollte man im großen Stil konsolidieren, müsste man Mengen und Werke weltweit reduzieren. Eine Verringerung der Auslastung in den saarländischen Stahlunternehmen wäre schlecht für unsere Kostenentwicklung. Was wir brauchen, sind künftig Partnerschaften zum Beispiel im Vertrieb oder technische Kooperationen.

Es ist also nicht zu befürchten, dass jemand die Saarhütten aufkauft?

METZKEN Ich kann die Zukunft nicht vorhersagen, auch nicht Entscheidungen in der Zukunft. Wir müssen an der Weiterentwicklung unserer Standorte arbeiten. Die  Digitalisierung bietet hier große Chancen. Und wir müssen an der  Sicherung der Arbeitsplätze und am Erhalt der Eigenständigkeit der saarländischen Stahlindustrie arbeiten. Das ist auch der Auftrag, den uns die Montan-Stiftung gegeben hat.

Was erwarten Sie von der Montan-Stiftung? Wie kann sie den Stahlstandort weiter stabilisieren?

METZKEN Die Stiftung stabilisiert uns ja schon durch die Dividendenpolitik, die sie praktiziert. Das Geld, das in Dillingen und bei Saarstahl verdient wird, bleibt weitgehend im Land und steht für Investitionen wieder zur Verfügung. Wir sind nicht börsennotiert und arbeiten nicht für Fonds, die hungrig nach Dividenden sind und Geld aus den Unternehmen ziehen wollen. Für uns ist die Aufgabenstellung der Montan-Stiftung Saar ein Riesenvorteil. Er drückt sich auch in unserem sehr hohen Eigenkapital aus. Ein sehr hohes Eigenkapital ist an der Börse störend. Unsere Eigenkapitalpolitik hat auch dazu beigetragen, dass wir immer ein sehr kreditwürdiger Konzern sind und gerne gesehen bei Banken.

Gibt es denn nicht immer wieder Interessenten aus der ganzen Welt, die gerne bei der Dillinger Hütte oder Saarstahl einsteigen würden, wenn sie könnten?

METZKEN Ja, die gibt es, wenn auch seltener als früher. Aber jeder Interessent muss erkennen, dass es nicht leicht ist, bei uns Einfluss zu nehmen. Eben wegen des Modells und der Zielsetzung der Montan-Stiftung, den Haupteinfluss bei den Stahl-Unternehmen in saarländischen Händen zu belassen. Interessant sein können dagegen Forschungskooperationen.

Was waren die wichtigsten Weichenstellungen in Ihrer Zeit?

METZKEN Die Investitionen, etwa bei der Dillinger Hütte unsere Stranggießanlage CC6, eine Großinvestition in dreistelliger Millionenhöhe und Weltneuheit, mit der Stähle in einer Qualität und in Dimensionen hergestellt werden können wie nie zuvor. Davon profitiert noch die nächste Generation von Stahlarbeitern und Kunden. Auch unsere Stranggießanlage S1 bei Saarstahl, die gebaut wird, setzt Maßstäbe: Mit einer Investitionssumme von 100 Millionen Euro wird sie mit modernster Technologie ausgestattet. Ich denke, wir haben es immer verstanden, die richtige Investition zur richtigen Zeit auf den Weg zu bringen. Hier ist auch das Vertrauen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand wichtig.

Als eine Stärke der Saar-Stahlindustrie wird auch die Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern gesehen, speziell der IG Metall.

METZKEN Der gemeinsame Kampf für einen fairen Klimaschutz bei der EU-Kommission in Brüssel mit der IG Metall und den Belegschaften hat mich schon sehr beeindruckt. Ich war begeistert über den Zusammenhalt.

Niemand weiß, welche Technologie sich in der Autoindustrie durchsetzt. Ist Saarstahl vorbereitet?

METZKEN Wir haben neue Geschäftsfelder entwickelt, beispielsweise für Elektromobilität. Mengenmäßig werden technologische Veränderungen keine großen Auswirkungen auf uns haben. Der Produktmix ändert sich.

Wie ist die Schmiede aufgestellt?

METZKEN Wir haben Personal sozialverträglich auf 411 Personen reduzieren können, kamen von über 1000. Wir haben einen geringeren Umsatz, aber das ist so vorgesehen. Die neuen Produkte sind nicht nur abhängig vom Energiemarkt. Das läuft gut an, muss noch wachsen. Ich denke, wir werden zum Jahresende ein positives Ergebnis vor Zinsen, Abschreibungen und Steuern hinbekommen.

Wie steht die Dillinger Hütte da?

METZKEN Wir haben mit Problemen im Grobblechmarkt zu kämpfen wegen großer Überkapazitäten weltweit und einem sehr harten Konkurrenzkampf. Wir kämpfen um jede Tonne, aber es ist kaum Platz für Preiserhöhungen. Deshalb versuchen wir ständig, Produkte zu verbessern, mit modernster Technik zu arbeiten und enger mit Kunden zu kooperieren. Unsere Produkte, die wir vermarkten, sind zu 60 Prozent mit Projekten verbunden: von Pipelines über Hochhäuser, Brücken, Offshore-Plattformen bis zum Maschinenbau. Jedes Blech ist mit einem Auftrag verbunden. Wir haben eine Marktdelle im Geschäft mit Offshore Windblechen aber das wird sich 2019 erholen. Wir bauen den Bereich Normalbleche aus, da große Folgeaufträge für Rohrblech, wie durch die Pipeline Nord Stream 2, schwer zu bekommen sind.

Was bedeutet das?

METZKEN Wir wollen ab 2020 jährlich 2,1 Millionen Tonnen Gesamtmenge produzieren. Wir müssen uns auf einen anderen Produktmix einstellen. Insgesamt sehe ich die Dillinger Hütte auf gutem Weg. Wir müssen unsere Anlagen auslasten, werden aber keine so hohen Gewinne mehr einfahren wie 2008/2009.

Wird die Internationalisierung der Saar-Hütten weitergehen?

METZKEN Natürlich. Kernmarkt ist Gesamt-Europa. Aber wir sind schon in den USA mit Saarstahl sehr stark vertreten mit vier Prozent unserer Gesamttonnage, fast unverändert auch nach der Erhebung der Strafzölle. In China sind wir mit Saarstahl mit Spezialprodukten gut positioniert und entwickeln uns stärker im asiatischen Raum. Dillingen ist verstärkt mit Spezialitäten in Mexiko und in Asien unterwegs.

Wird es auch Produktionsstätten vor Ort geben?

METZKEN Nein. Wir wollen keine neuen Produktionsstätten errichten. Das würde einen riesigen Investitionsaufwand bedeuten. Den können und wollen wir nicht tragen. Das ist auch nicht unser Auftrag. Der besteht darin, Arbeitsplätze im Saarland zu sichern.

Empfehlen Sie jungen Menschen einen Beruf in der Stahlindustrie?

METZKEN Die Branche ist attraktiv für Menschen, die moderne Arbeitsplätze suchen. Zumal wir ständig an neuen Produkten und Technologien forschen und diese kontinuierlich zur Produktionsreife bringen.

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