Hochofen wird in Rekordzeit modernisiert

Dillingen · 150 Millionen Euro an Investitionen, nur 90 Tage Zeit zur Umrüstung, 100 beteiligte Firmen und 700 Personen in Spitzenzeiten auf der Baustelle: die Neuausrichtung des Hochofens 4 der Dillinger Hütte ist ein technologischer Kraftakt. Bis 30. September muss alles fertig sein.

 Einblick „ins Innerste“. Der komplett erneuerte Hochofen 4 wird mit Temperaturen von über 2000 Grad produzieren.

Einblick „ins Innerste“. Der komplett erneuerte Hochofen 4 wird mit Temperaturen von über 2000 Grad produzieren.

Foto: Rolf Ruppenthal

. Manchmal geraten auch Techniker ins Schwärmen. Der Hochofen 4 der Dillinger Hütte sei nach umfangreichen Modernisierungen Ende September "mit das Modernste, was man derzeit überhaupt auf dem Markt finden kann". Davon ist der Technik-Vorstand der Dillinger Hütte , Bernd Münnich (53), felsenfest überzeugt. "Wir sind damit in Dillingen weit vorne", sagte er gestern bei einer Besichtigung auf der Baustelle. Münnich, der auch Mitglied der Geschäftsführung der Stahl-Holding-Saar (SHS) ist, zeigt sich begeistert von den Technologiesprüngen der saarländischen Stahlindustrie während der vergangenen Jahrzehnte. "Und von der unglaublichen Dynamik und Entwicklung, die die Stahlindustrie in ihren guten Phasen nimmt", sagt Münnich. Für ihn sei das mit ein Grund gewesen, seinen beruflichen Weg in dieser Branche zu suchen. Der Zusammenhalt der Stahlarbeiter im harten Kampf um den Fortbestand der Standorte habe ihm in den vergangenen Monaten zudem gezeigt, "dass wir in schwierigen Phasen noch stärker sind. Und mit unseren jüngsten technischen Investitionen sind wir jetzt auf einem guten Weg in die Zukunft." Auch Vorstandssprecher Fred Metzken legt sich fest. Die Neuzustellung des Hochofens 4 sei "ein Stück Sicherheit für die Zukunft der Stahl-Standorte in Dillingen und Völklingen". Mit Gesamtinvestitionen von insgesamt 700 Millionen Euro alleine in diesem Jahr, davon 150 Millionen Euro in die Neuausrichtung des Hochofens 4, der zur Rogesa Roheisengesellschaft gehört, "tun wir alles, damit Stahl auch künftig eine Zukunft an der Saar hat. Wir werden weiter investieren" so Metzken.

Das Unternehmen und die Belegschaft hätten ihre Hausaufgaben bereits gemacht, jetzt müsse noch die Landes- und Bundespolitik die EU-Kommission in Brüssel von der Notwendigkeit fairer weltweiter Marktbedingungen für die europäischen und deutschen Stahlhersteller überzeugen. Der Kampf sei noch nicht gewonnen.

Der neu ausgerüstete Hochofen 4 sichert die Produktion mindestens für die kommenden zehn bis 15 Jahre ab. Die Baustelle selbst am Hochofen wirkt wie das Laufwerk einer Uhr: Ruhig und präzise. 1150 verschiedenste Termine sind für die Gesamtrenovierung in Rekordzeit zu koordinieren, denn nur 90 Tage stehen für die gesamte Aktion zur Verfügung. Dann wird die Stahlproduktion wieder auf volles Niveau hochgefahren. 100 Firmen, davon 60 aus dem Saarland, sind in die Arbeiten eingebunden mit bis zu rund 700 Personen täglich in Spitzenzeiten.

Walter Hartig, Betriebschef für Hochöfen und ein alter Hase im Geschäft, bleibt zumindest äußerlich gelassen. Er hat schon zehn Neuzustellungen aktiv miterlebt. "Wir liegen gut in der Zeit mit der neuen Technik und der Montage", sagt er. Von der Gesamtrenovierung bis hin zur Neugestaltung der Hochofenanlage sind viele einzelne Baustellen zu koordinieren. Das Spannendste, so sagt Hartig, seien die ersten Tage nach dem Neuanlauf, wenn man erstmals sehen kann, ob alles reibungslos funktioniert.

Rekordwerte erreichen auch die eingesetzten Baumaterialien: 500 Tonnen Stahlbau alleine für Hilfskonstruktionen in der Montage, 120 Kilometer neue Kabel für Steuerungsanlagen sowie Bauteile, die ein Gewicht von bis zu 110 Tonnen haben. Am ehrgeizigsten sind die Umweltziele. So garantiert Technik-Vorstand Münnich nochmals deutlich geringere CO{-2}-Werte. "Unser Hochofen erreicht jetzt einen Stand, auf dem es dann nicht mehr besser gehen wird.." Auch die Brennvorgänge werden optimiert. Der Hochofen erreicht im Innern Temperaturen von über 2000 Grad. Das neue Prozess-Leitsystem ermöglicht eine noch frühere Erkennung von Störungen. Neueste Firewall-Technik verhindere Hacker-Angriffe und Zugriff auf die Produktion von außen. Gestern war es schon deutlich zu spüren: In Dillingen fiebert man dem 30. September entgegen.

Meinung:

Technologisch an der Spitze

Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia

 Ein neuer Leitstand kontrolliert alle Produktionsabläufe und kann auch mögliche Störungen früher feststellen. Fotos. Rolf Ruppenthal

Ein neuer Leitstand kontrolliert alle Produktionsabläufe und kann auch mögliche Störungen früher feststellen. Fotos. Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Gerade auch in Krisenzeiten werden in der saarländischen Stahlindustrie alleine in diesem Jahr 700 Millionen Euro in zukunftsweisende Technologien investiert. Ein mutiger und richtiger Schritt von Vorstand, Aufsichtsrat und Stahl-Holding. Technologisch sind die Stahlstandorte Dillingen und Völklingen jetzt ganz vorne dabei. Auch die Belegschaft ist hoch motiviert, die Herausforderungen der Zukunft, insbesondere durch die hohen weltweiten Stahl-Überkapazitäten, mit voller Kraft anzunehmen. Jetzt muss noch die EU in Brüssel von fairen Wettbewerbsbedingungen für die europäische Stahlindustrie überzeugt werden. Die jüngsten, auch umweltfreundlichen Investitionen in Dillingen sind ein hilfreiches Argument.

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