Automobilindustrie Handelsabkommen belastet Autoschau

Detroit · Wie geht es mit dem Freihandel in Nordamerika weiter? Diese Frage ist wichtiger als Pkw-Neuheiten auf der Detroiter Autoschau.

Glaubt man Dieter Zetsche und Arnold Schwarzenegger, dann herrscht in der deutschen und weltweiten Autoindustrie eitel Sonnenschein. Der Daimler-Boss und der Ex-Hollywood-Star schwenken am Vorabend der Detroiter Autoshow Cowboyhüte in die Kameras und genehmigten sich einen Schnaps, während der neue Geländewagen der Mercedes-G-Klasse im Hintergrund das Podium beherrscht. Alles prima, alles gut – so soll die Botschaft lauten. Wie in den Konzernzentralen wirklich gedacht wird, steht auf einem anderen Blatt.

Zwei Themen dominieren das erste große Branchentreffen des Jahres, das gestern offiziell startete: die Steuerreform der Regierung Trump und der wacklige Freihandelspakt Nafta. Die Steuersenkungen kommen den Herstellern einerseits sehr gelegen, sie hoffen dadurch auf mehr Profit und eine Sonderkonjunktur beim ins Stocken geratenen Absatz. Doch die Ungewissheit um die Zukunft des Nafta-Abkommens zwischen den USA, Mexiko und Kanada dämpft insgesamt die Stimmung.

Detroit wird vom Winter beherrscht. Ähnlich frostig geht es bei den Verhandlungen zu Nafta zu. Vor dem Messeauftakt sorgt Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland für Unruhe. Ihr Land bereite sich „auf das Schlimmste vor“, sagt sie und bestätigt Berichte, wonach die Gespräche zu scheitern drohen. Für die Autobranche wäre das ein Desaster. Die Hersteller haben über Jahre eine Produktionskette für den US-Markt aufgebaut, die  von günstiger Fertigung und niedrigen Löhnen vor allem im Nachbarland Mexiko abhängt. Zollfreier Handel ist für sie daher enorm wichtig. Doch US-Präsident Donald Trump macht Nafta für den Verlust heimischer Jobs verantwortlich und droht, das Abkommen aufzukündigen.

Ein Scheitern hätte auch für die deutschen Hersteller massive Folgen. Egal ob VW, Audi, Daimler, BMW – sie alle setzen mit Blick auf den US-Markt auf Mexiko. „Ich diskutiere nicht jeden Tweet aus dem Weißen Haus, ich diskutiere die Substanz der Dinge“, sagt Matthias Wissmann, Chef des Autoverbands VDA. Die wirtschaftliche Lage habe sich 2017 verbessert – es sei jedoch „eine offene Frage, ob das mit der alten oder mit der aktuellen Regierung zu tun hat“. Sicher, die Steuerreform des Kabinetts Trumps gebe positive Anreize. Importierte Teile könnten allerdings auch höher besteuert werden.

Einzelne Autokonzerne sehen das ähnlich. Das Wort Nafta genügt – und die Miene von VW-Markenchef Herbert Diess wird nachdenklich. Man fertigt im mexikanischen Puebla mehrere Modelle, darunter den in Detroit neu präsentierten Jetta, vor allem für die USA. Wankt Nafta? „Das macht uns Sorgen.“ In diesem Fall dürften sich Exporte in die Vereinigten Staaten verteuern. Das trifft den Hersteller, der gerade zur Aufholjagd ansetzen und seinen US-Marktanteil von zwei auf fünf Prozent ausbauen will. Unterm Strich bleibt Diess indes optimistisch: „Die Gespräche verlaufen in konstruktivem Miteinander.“ Beim Konkurrenten Daimler wartet man nervös-gespannt ab. „Es gibt nicht die eine oder die andere Lösung, sondern eine Vielzahl an Alternativen“, meint Chef Zetsche zur Frage, wie sich sein Konzern auf ein mögliches Nafta-Ende vorbereite. Noch sei es wenig sinnvoll, Notfallpläne zu schmieden. Und BMW? Die Münchner hatten mit ihrem Werk in Spartanburg (South Carolina) als einer der ersten deutschen Autobauer frühzeitig eine große Basis in Amerika bezogen. Dort steht inzwischen ihr weltweit größtes Produktionswerk. „Intern nennen wir die USA unsere zweite Heimat“, betont Finanzchef Nicolas Peter. Das müsse so bleiben. „Wir sind optimistisch, dass Nafta in einer guten Art und Weise angepasst wird.“

Die Marktexperten in Amerika selbst sind ebenfalls alarmiert. „Die Hersteller sind in einer sehr schwierigen Situation“, warnt der Chef­ökonom der Autohändlergruppe Cox Automotive, Jonathan Smoke. Sollte es zum Ende von Nafta kommen, müssten die Konzerne die zusätzlichen Kosten entweder selbst schultern oder an die Verbraucher durchreichen – was zu höheren Autopreisen führen würde.

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