Automobilindustrie Halberg-Guss-Werk Leipzig wird geschlossen
Saarbrücken · Die Geschäftsführung der Motorblock-Gießerei NHG hat verkündet, dass 800 Arbeitsplätze verloren gehen. Auch Jobs in Saarbrücken sind bedroht.
Das Leipziger Werk des Motorblock-Herstellers Neue Halberg Guss (NHG) wird bis Ende kommenden Jahres geschlossen. Das teilte der NHG-Geschäftsführer Alexander Gerstung gestern auf einer Betriebsversammlung in Saarbrücken mit. In einer vorgeschalteten Telefonkonferenz mit Journalisten sagte er, dass von dieser Maßnahme rund 800 Arbeitnehmer betroffen sein sollen. In Leipzig sind derzeit allerdings nur 600 Frauen und Männer beschäftigt. Ob es wegen dieses Personal-Überhangs auch in Saarbrücken zu betriebsbedingten Kündigungen kommt, wo rund 1500 Männer und Frauen arbeiten, ließ der NHG-Geschäftsführer offen. Dieser Personalüberhang könne auch dadurch abgebaut werden, dass Leute in Rente oder Vorruhestand gehen, beziehungsweise von sich aus den Arbeitgeber wechseln.
Die Schließung des Leipziger Werks begründete Gerstung damit, dass künftig nicht mehr genügend Gieß-Tonnage vorhanden sei, um beide Werke auslasten zu können. Zusätzliche Aufträge seien „in diesem hart umkämpften Markt auch nicht mehr zu erwarten“. Außerdem sei sicher, dass VW als einer der wichtigsten Kunden von NHG seine Abnahmemenge deutlich reduzieren wolle. Diese Absicht habe VW bereits geäußert, als die Automobilzuliefer-Gruppe Prevent noch nicht der Eigentümer von Halberg Guss gewesen sei. Prevent liegt mit VW in einem Dauerclinch. Das Verhältnis gilt als zerrüttet.
Zu Prevent gehört NHG erst seit Beginn des Jahres. Wenige Monate zuvor – im Sommer vergangenen Jahres – war NHG erst von der SDL Süddeutsche Beteiligungs GmbH mit Sitz in Elchingen an der Donau gekauft worden. SDL übernahm es von dem niederländischen Fonds HTP, der nach der Insolvenz von Halberg Guss im Jahr 2011 eingestiegen war.
Mit Volkswagen „steht NHG kurz vor einer Einigung hinsichtlich der weiteren Lieferbeziehungen“, betonte Gerstung weiter. Ziel sei es, schriftliche Lieferverträge abzuschließen, „die Planungssicherheit bis in den Zeitraum 2021 schaffen“. VW sei bereit, sich für diesen Zeitraum auf die Zahlung „angemessener Preise“ zu verpflichten. Zu den Vereinbarungen gehöre, dass NHG weiter drastisch Kosten senkt. Volkswagen habe außerdem darauf bestanden, dass Aufträge von Leipzig nach Saarbrücken umgeleitet werden sollen, betonte der NHG-Geschäftsführer weiter. VW teilte gestern mit, „dass wir mit NHG „gültige und ungekündigte Lieferverträge haben“. Außerdem habe der Wolfsburger Konzern „bereits mehrfach einen Beitrag zur Sanierung der NHG und dem Erhalt ihrer Arbeitsplätze geleistet“. Derzeit „loten wir die Chancen für eine längerfristigen Lösung aus, die für beide Seiten tragfähig ist und mit der wir erneut einen Beitrag leisten wollen, dass die NHG Arbeitsplätze erhalten und ihren Restrukturierungsbedarf erfolgreich bewerkstelligen kann“, so eine Sprecherin.
Die Lieferbeziehungen zu den anderen Abnehmern seien stabil, so Gerstung. Das sind vor allem Daimler, der Motorenbauer Deutz, aber auch die Autobauer General Motors (GM) und Opel. Bei Deutz und GM sieht er sogar noch die Möglichkeit, dass zusätzliche Aufträge akquiriert werden können. Denn die Qualität, die im NHG-Werk im Saarbrücken Stadteil Brebach erbracht werde, „ist ausgezeichnet“.
Der saarländische Wirtschafts-Staatssekretär Jürgen Barke (SPD) fordert die Parteien auf, „jetzt rasch Verhandlungen aufzunehmen, um die bisher mündlich getätigten Zusagen rechtssicher zu machen“. Das gelte vor allem für die Absprache mit VW. Allerdings müssten auch der Umgang mit den Mitarbeitern „sozialadäquat“ ablaufen. Den Beschäftigten stehe ein Teil vom Kuchen zu, fordert Barke. Der faire Umgang mit den Mitarbeitern und Transparenz bei den Prozessen seien extrem wichtig, das Vertrauen der übrigen Kunden zu halten und weiter zu verbessern. Dann habe auch der Standort Saarbrücken langfristig eine Überlebenschance. „Außerdem muss mal Ruhe einkehren.“
Der 2. Bevollmächtigte der IG-Metall-Verwaltungsstelle Saarbrücken, Patrick Selzer, sieht auch nach Bekanntwerden der Pläne, keinen Grund, von den Forderungen nach einem Sozialtarifvertrag abzuweichen. VW müsse für die Motorblöcke mittlerweile spürbar höhere Preise zahlen. „Von diesem Geld wollen wir als Arbeitnehmer unseren Teil abhaben“, betonte er. Dieser Vertrag sieht bei möglichen Entlassungen eine Transfergesellschaft vor, bei der die Beschäftigten nur mit geringem Lohnabschlag weitergebildet werden können. Abfindungen würden sich in den meisten Fällen im sechsstelligen Euro-Bereich bewegen (wir berichteten). Seiner Auffassung nach lasse das Konzept der Geschäftsführung, das gestern präsentiert wurde, zudem „noch viele Fragen offen“. Selzer trifft sich mit der NHG-Geschäftsführung am 13. Juni zu einer ersten Verhandlungsrunde zum Sozialtarifvertrag.