Europäischer Gerichtshof Gericht beschränkt Regeln für Kirchenjobs

Luxemburg · Kirchliche Arbeitgeber dürfen nicht bei jeder Stelle von Bewerbern eine Religionszugehörigkeit fordern. Das entschied der Europäische Gerichtshof.

 Kreuz und Bibel. Das Christsein dürfen kirchliche Arbeitgeber künftig nur von Bewerbern fordern, wenn der Arbeitsplatz dies erfordert.

Kreuz und Bibel. Das Christsein dürfen kirchliche Arbeitgeber künftig nur von Bewerbern fordern, wenn der Arbeitsplatz dies erfordert.

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Kirchliche Arbeitgeber dürfen die Kirchenmitgliedschaft bei Bewerbern nicht pauschal und unbegründet verlangen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied gestern, dass bei einer solchen Anforderung an einen Bewerber ein direkter Zusammenhang zwischen der Konfession und der Tätigkeit bestehen müsse. Zudem müsse von einem Gericht überprüft werden können, ob die Voraussetzung einer Kirchenmitgliedschaft „wesentlich“, „rechtmäßig“ und „gerechtfertigt“ sei. Das könnte die Kirchen und ihre Einrichtungen dazu zwingen, ihre Stellenanforderung künftig stärker zu begründen (AZ: C-414/16).  Das Urteil könnte für die Einstellungspraxis der Kirchen in Deutschland erhebliche Auswirkungen haben. Die Diakonie hat mehr als 525 000 hauptamtlich Beschäftigte. In den Einrichtungen und Diensten der Caritas arbeiten rund 620 000 Menschen beruflich.

Geklagt hatte wegen religiöser Diskriminierung die konfessionslose Berlinerin Vera Egenberger, die sich erfolglos beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung für eine Referentenstelle für das Projekt „Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention“ beworben hatte. Über das Verfahren, in dem sie eine Entschädigungszahlung durchsetzen will, muss nun erneut das Bundesarbeitsgericht befinden.

Egenberger sieht sich vom EuGH bestätigt. Sie sei froh, dass dem Urteil zufolge die Praxis der konfessionellen Verbände bei der Personalauswahl „so nicht haltbar ist“. Die beklagte Diakonie reagierte allerdings gelassen: Der EuGH habe bestätigt, „dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der wesentliche Faktor bei solchen Abwägungsentscheidungen ist“, sagte Vorstand Jörg Kruttschnitt. Das Gericht hatte auch betont, dass es staatlichen Gerichten in der Regel nicht zustehe, über das Ethos kirchlicher Arbeitgeber zu befinden.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) befand, einerseits habe das Gericht den Grundsatz bestätigt, dass Kirche und Diakonie ihr Arbeitsrecht autonom gestalten können. Andererseits schränke das Urteil die Gestaltungsfreiheit bei der Personalauswahl ein, sagte der Präsident des EKD-Kirchenamtes, Hans Ulrich Anke. Die katholische Kirche will nach dem Urteil prüfen, ob sie ihre Praxis bei Einstellungen anpassen muss, wie die Deutsche Bischofskonferenz in Bonn mitteilte.

Das zuständige Bundesarbeitsministerium wertete das Urteil als Einschnitt für die Kirchen. Der EuGH habe das Recht der kirchlichen Arbeitgeber, selbst zu entscheiden, für welche Tätigkeit eine bestimmte Religionszugehörigkeit erforderlich ist, eingeschränkt, hieß es. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, erklärte: „Die Kirchen müssen ab jetzt für jedes einzelne Arbeitsverhältnis nachvollziehbar und gerichtsfest begründen können, warum eine bestimmte Religionszugehörigkeit dazu zwingend notwendig sein soll.“ Auch die Gewerkschaft Verdi begrüßte das Urteil. „Bei verkündigungsfernen Tätigkeiten gilt: Kirchliche Arbeitgeber dürfen bei Einstellungen ausschließlich die Qualifikation und Eignung berücksichtigen“, sagte Vorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Das ist jetzt auch gerichtlich überprüfbar.“

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