„Für meine Kinder und für meinen Stolz“

Saarbrücken · Sie erfüllt ganz und gar nicht das Klischee von einem Lehrling in einer Kfz-Werkstatt. Nicht nur dass eine Frau nach wie vor in dem Metier ungewöhnlich ist. Sie ist dreifache Mutter und trägt auch in der Werkstatt ihr Kopftuch.

 Cécile-Amanda Muller hat schon als Kind gerne an Autos geschraubt. Jetzt absolviert sie ihre Ausbildung zur KFZ-Mechatronikerin bei der Bosch Car Service Metzinger GmbH in Burbach. Foto: Rich Serra

Cécile-Amanda Muller hat schon als Kind gerne an Autos geschraubt. Jetzt absolviert sie ihre Ausbildung zur KFZ-Mechatronikerin bei der Bosch Car Service Metzinger GmbH in Burbach. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Cécile-Amanda Muller wirkt auf angenehme Art wie ein "Kraftpaket": lebenslustig, temperamentvoll, wissbegierig und zupackend. Die 30-jährige Deutsche, alleinerziehende Mutter von drei Kindern im Alter von sieben, acht und neun Jahren, lebt seit zwei Jahren in Saarbrücken . Äußerlich fällt auch ihr Kopftuch auf. Sie trägt es aus religiösen Gründen, sogar während der Arbeit. Doch die Auszubildende im ersten Lehrjahr will nicht auf ihr Kopftuch reduziert werden. Die Religion sei ihre Privatsache. Behandelt werden will sie am liebsten wie jeder andere auch.

Doch das scheint vielen in der Gesellschaft nicht leicht zu fallen. Denn nachdem sie in ihrem erlernten Beruf im Einzelhandel nicht glücklich wurde und Dutzende Bewerbungen geschrieben hatte, auch an die Deutsche Bahn, die Telekom und viele andere Unternehmen, "kamen nur Absagen. Niemand hat mir auch nur die Chance gegeben, mich einmal persönlich vorzustellen. Aber wer will schon eine 30-jährige, alleinerziehende Mutter, die dazu auch noch ein Kopftuch trägt?", erzählt Muller im Rückblick.

Doch selbst in harten Zeiten geschehen zuweilen Dinge, die einem Leben eine positive Wende geben. Cécile-Amanda Muller bringt ihr Auto regelmäßig in die Inspektion zur Horst Metzinger GmbH Autoelektrik in Burbach. Man kennt sich mittlerweile, kommt ins Gespräch. Werkstattleiter Uwe Diesel berichtet ihr, dass im Betrieb eine Ausbildungsstelle zum Kfz-Mechatroniker frei sei. Ob sie sich das zutraue? Cécile-Amanda Muller überlegt nicht lange. "Begeisterung für Technik war bei mir immer da. Und meinem Stiefvater habe ich schon als Kind geholfen, wenn er Autos repariert hat." Sie sagt zu.

Auch ihre künftigen Kollegen in der Werkstatt sowie Nicole Metzinger, die Inhaberin und Geschäftsführerin, sind schnell überzeugt. Metzinger noch aus einem anderen Grund: Sie selbst war damals im Betrieb die erste weibliche Auszubildende zur Kfz-Mechatronikerin. Es ist nicht die Ausbildung, die Cécile-Amanda Muller vor größere Probleme stellt, sondern das nach ihrer Erfahrung zeitlich unflexible System, zu dem man Kinder etwa in die Sprachförderung oder in den Kindergarten bringen kann. Den Anforderungen an ein modernes Berufsleben mit berufstätigen Müttern entsprächen diese Einrichtungen meist nicht, kritisiert Muller.

I hre Arbeitgeberin stimmt zu, zumal auch der Ausbildungsbetrieb und die Auszubildende eine besondere Flexibilität an den Tag legen müssen. Denn als Alleinerziehende steht man schnell vor Problemen: Was tun, wenn eines der Kinder plötzlich krank wird, ein dringender Arztbesuch ansteht oder überbetriebliche, mehrtägige Lehrgänge absolviert werden müssen ?

Muller hat Glück. Eine Tagesmutter unterstützt sie. Die vom Jobcenter finanziell geförderte Ausbildung kann sie zudem in Teilzeit absolvieren. Dazu muss sie mindestens 25 Stunden wöchentlich im Betrieb präsent sein. Sie könnte auch weniger als 25 Stunden tätig sein, dann würde sich die Ausbildung um ein Jahr verlängern. Nicole Metzinger bekommt vom Jobcenter einen finanziellen Zuschuss, muss also nicht alleine das Risiko der Ausbildung eingehen.

Die bisherigen Erfahrungen sind offensichtlich für alle Seiten positiv. Cécile-Amanda ist gut integriert in das Team. Man hilft sich auch gegenseitig, etwa wenn bei der Radaufhängung die Schrauben schwer zu lösen sind. Dafür darf die Auszubildende ran, wenn sich ein Elektrostecker an schwer zugänglichen Bauteilen nicht lockern lässt. Muller hat klare Ziele vor Augen: Die Ausbildung abschließen und später vielleicht sogar den Meisterbrief in den Händen halten. Ehrgeiz und Durchhaltevermögen treiben sie an. Und etwas, womit sie auch anderen alleinerziehenden Müttern Mut machen will: "Ich habe mich seit meiner Trennung vor zwei Jahren und dem Beschluss, ins Saarland zu ziehen, von Anfang an um alles gekümmert, bin nur gelaufen, gebe jeden Tag alles. Ich will arbeiten, ich will etwas leisten und ich tue dies für meine Kinder und für meinen Stolz. Es geht."

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Hintergrund Zum Start des neuen Ausbildungsjahres stehen den jungen Menschen noch Zehntausende Plätze offen. 172 224 Ausbildungsstellen waren laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nach den jüngsten Zahlen Ende Juli unbesetzt. "Jugendliche Lehrstellenbewerber haben in diesem Jahr allerbeste Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. "Ende Juli waren bei den Agenturen für Arbeit 24 000 mehr Ausbildungsangebote als suchende Jugendliche gemeldet", sagte Schweitzer. Laut der jüngsten DIHK-Ausbildungsumfrage würden mittlerweile in fast jedem dritten Ausbildungsbetrieb Lehrstellen unbesetzt bleiben. "Rund 14 000 haben überhaupt keine Bewerber mehr." dpa

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