Interview mit Gunnar Herrmann „Werk Saarlouis zunächst bis 2024 gesichert“

Saarlouis · Ford-Deutschland-Chef Gunnar Herrmann will mit einem Sparprogramm den saarländischen Standort langfristig erhalten.

 Der Ford-Focus aus Saarlouis verkauft sich gut, der C-Max-Van dagegen nicht. Er soll deshalb 2019 auslaufen.

Der Ford-Focus aus Saarlouis verkauft sich gut, der C-Max-Van dagegen nicht. Er soll deshalb 2019 auslaufen.

Foto: Foto © Rich Serra - www.rich-se/Rich Serra

Ford-Deutschland-Chef Gunnar Herrrmann fordert von den Beschäftigten im Werk Saarlouis umfangreiche Zugeständnisse. Mit einer Zwei-Schicht Produktion und der Senkung von Kosten könne im Gegenzug das Werk über 2024 hinaus abgesichert werden, erklärte Herrmann im Interview mit der Saarbrücker Zeitung.

Ford-Chef Jim Hackett hat sich extrem unzufrieden gezeigt mit den Ergebnissen in Europa. Er mahnt massive Kostensenkungen an und die Rückkehr in die schwarzen Zahlen bis 2020. Was läuft schief?

HERRMANN: Insbesondere der ­Brexit und unsichere Wechselkurse belasten unser Ergebnis. Großbritannien ist unser wichtigster Auslandsmarkt, deshalb leidet unsere Profitabilität. Auch von der wirtschaftlichen Schwäche in der Türkei, einem unserer Haupt-Absatzmärkte für den Focus, ist unser Werk in Saarlouis besonders betroffen. Dazu kommen neue Regularien und Dokumentationspflichten, die der Gesetzgeber wegen der C02-Problematik erlassen hat. Mit zusätzlichem Aufwand und Kosten.

Wie sieht die Lage im Ford Werk Saarlouis aus?

HERRMANN: Der Ford Focus mit neuen Technologien und verschiedenen Varianten funktioniert nach unserer Beobachtung am Markt sehr gut und setzt den Trend in seinem Segment, aber die Nachfrage nach dem Ford C-Max hat massiv gelitten. Wir müssen jetzt reagieren, sonst gefährden wir den Fortbestand des Werkes in Saarlouis.

Warum läuft der C-Max so schlecht?

HERRMANN: Das Segment der kompakten Vans ist seit Jahren rückläufig, es werden immer weniger Fahrzeuge gekauft. Viele Hersteller bieten Modelle in diesem Segment nicht mehr an. Während in Europa in 2011 noch 123 000 C-Max verkauft, wurden, waren es 2017 nur noch 67 000 und 2018 noch 53 000. Für 2019 rechnen wir nur noch mit 30 000 Fahrzeugen. Die Hälfte aller C-Max werden im deutschen Markt verkauft und weisen selbst hier nur einen geringen Deckungsbeitrag auf. Die andere Hälfte wird nach Südeuropa sowie England ausgeliefert und erwirtschaftet keinen Ertrag für Ford. Auch in der C02-Bilanz schneidet der C-Max nicht gut ab. Wir müssen handeln.

Was folgt daraus?

HERRMANN: Wir nehmen Gespräche mit der Arbeitnehmervertretung auf. Ziel ist es, das Produktionsende der Modellfamilie C-Max/Grand C-Max im Werk Saarlouis vorzubereiten. Eine Entscheidung ist jedoch noch nicht getroffen. In Saarlouis könnten wir dann den Focus flexibler bauen und insbesondere die hohe Nachfrage für den Focus Turnier und die neue Modellvariante Active besser abdecken. Das sichert nach meiner Überzeugung das Werk Saarlouis für die Zukunft besser ab. In Köln haben wir schon vor eineinhalb Jahren die neue Generation Ford Fiesta mit zusätzlichen Modellvarianten eingeführt und auf einen Zwei-Schicht-Betrieb umgestellt. Dieses Modell läuft nachhaltig und gut.

Und das funktioniert nur im Zwei-Schicht-Betrieb?

HERRMANN: Ja. Und es funktioniert nur, wenn wir alle Kosten auf den Prüfstand stellen, auch Wochenendarbeit, Überstunden und Frei­schichten. Wir machen das an allen europäischen Standorten, um handlungsfähig zu bleiben.

Der Betriebsrat pocht auf die Einhaltung der Betriebsvereinbarung bis 2022, die Kündigungen ausschließt und die dritte Schicht garantiert. Sie verweisen auf eine Klausel, dass man wieder verhandeln muss, wenn sich die Marktverhältnisse stark ändern. Der Betriebsrat wirft Ihnen sogar Vertragsbruch vor.

HERRMANN: Letzteres ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Wir brechen keine Verträge. Ich kenne aber auch die Ungeduld im Unternehmen. Wir verlieren in Europa weiter Geld. Mein Ziel ist es, für Ford in Deutschland und Europa ein langfristig sicheres und profitables Geschäft aufzubauen. Ich warne davor, stur auf eine Vereinbarung zu bestehen, ohne die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Ich möchte mit dem Betriebsrat die nötigen Veränderungen im Dialog angehen und sozialverträglich an den Start bringen.

Sehen Sie noch Möglichkeiten für diesen Dialog?

HERRMANN:  Aber natürlich! Der Betriebsrat hat selbst das Info Institut mit einer Untersuchung beauftragt. Wir haben unsere Daten und Spezialisten für Interviews zur Verfügung gestellt, unsere Planzahlen, Marktanalysen und Kostenstrukturen offengelegt. Wir sind extrem transparent an das Thema herangegangen, haben alle Daten auf den Tisch gelegt. Im Gegenzug wollen wir mit dem Betriebsrat tragfähige Lösungen finden und Anfang Januar 2019 die Gespräche fortsetzen.

Wann müssen die grundsätzlichen Entscheidungen für den langfristigen Fortbestand des Werkes Saarlouis fallen?

HERRMANN:  Die meisten Produkte, die wir künftig entwickeln, müssen 2021 beschlossen sein. Daran schließt sich die Entscheidung über die Produktionsstandorte an. Ein gut ausgelastetes, leistungsfähiges und effizientes Werk ist immer im Vorteil.

Welche Argumente können Sie für europäische Standorte vorbringen?

HERRMANN:  Unsere für Europa geplante Strategie haben wir im Board der Ford Motor Company vorgestellt, sie wird von der Unternehmensführung mitgetragen. In Saarlouis führen wir Gespräche zum Auslauf des C-Max und der Umstellung auf Zwei-Schicht-Betrieb. Alle anderen Standorte in Europa werden auch Veränderungen einbringen müssen. 2019 und 2020 müssen wir wieder profitabel werden. Ich denke, wenn sich die Mitarbeiter den Veränderungen stellen, ist auch jeder Standort in Europa langfristig abgesichert. Je früher wir beginnen, desto höher die Wahrscheinlichkeit.

Die Saarlouiser Belegschaft setzt darauf, dass man künftig auch Elektroautos im Saarlouiser Werk baut.

HERRMANN: Das ist nicht so einfach, wie viele meinen. Prinzipiell könnten wir das schon, aber nur mit großen Veränderungen im Werk. Man müsste es umbauen.  Die Frage ist, wie sich der Bedarf entwickelt. Wir können nicht 240 000 Focus bauen und noch ein Elektroauto in einer Größenordnung von vielleicht 100 000 Fahrzeugen draufsetzen. Die Fertigungsprozesse sind völlig unterschiedlich. Man müsste eine komplett neue Produktionslinie einrichten und eine hohe Investition tätigen. Bei einer kompletten Umstellung auf Elektrofahrzeuge könnte man weder den Focus weiter produzieren, noch die Größe des Werkes und die Anzahl der Mitarbeiter aufrecht erhalten. Ein Elektroauto hat eine deutlich geringere Fertigungstiefe und benötigt weniger Arbeitskräfte.

Wie sieht Ihre Strategie zur langfristigen Absicherung des Werkes aus?

HERRMANN: Jetzt haben wir den neuen Focus an den Start gebracht. Die ersten Ergebnisse am Markt sind sehr erfreulich. Der Focus bleibt unsere wichtigste Trumpfkarte zum Erhalt des Werkes. Natürlich werden wir ihn weiterentwickeln und auch elektrifizieren. Ich gehe davon aus, dass Saarlouis zunächst bis 2024 gesichert ist. Danach kommt es darauf an, aus der kommenden Produktpalette das richtige Modell für die Fertigung nach Saarlouis zu holen. Die Standorte stehen im gegenseitigen Wettbewerb, es kommt darauf an, besonders leistungsfähig und effizient zu sein. Das sind auch die Stärken in Saarlouis.

Die Autoindustrie in Deutschland steht massiv unter Druck. Wie erleben Sie das?

HERRMANN: Man hat den Eindruck, dass immer mehr Institutionen dabei sind, Fahrzeuge von der Straße zu holen. Mich beunruhigt sehr stark, dass die Deutsche Umwelthilfe jetzt sogar anfängt, neueste Diesel-Technologie wie den Euro 6 zu bekämpfen. Auch die verschärften Umweltauflagen der EU stellen die Autoindustrie vor eine sehr große Herausforderung. Meiner Überzeugung nach wird der Produk­tions­standort Deutschland durch die zunehmenden Angriffe gegen die Autoindustrie in gefährlichem Maß beeinträchtigt. Es geht um 800 000 Menschen. Hinzu kommen Zulieferbetriebe mit ihren Mitarbeitern. Ich plädiere dafür, das Thema Auto wieder sachlicher zu diskutieren.

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