Europa sucht in Asien neue Freunde

Brüssel · Die EU will vor allem zu Indien und China die Wirtschaftsbeziehungen intensivieren.

Nur einen Tag nach einer entsprechenden Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist das Schlagwort von der größeren Selbstständigkeit Europas auch in Brüssel angekommen. "Es geht darum sicherzustellen, dass Europa sein eigenes Schicksal bestimmt", erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Man wolle zwar "die guten transatlantischen Beziehungen fortsetzen". Aber dennoch scheint die Union mehr und mehr entschlossen, sich von Washingtons Protektionismus nicht unterkriegen zu lassen.

Bereits gestern traf Merkel in Berlin mit dem indischen Regierungschef Narenda Modi zusammen. Zwischen Dehli und Brüssel wird seit 2011 über ein Freihandelsabkommen verhandelt, das aber derzeit auf Eis liegt. Dass das ein Fehler sein könnte, belegte eine Studie des Ifo-Institutes im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Sie verheißt beiden Seiten deutliche Zugewinne, wenn man sich allein auf den Abbau von Zöllen einigen würde, die in Indien zum Beispiel bei Kraftfahrzeugen und Maschinen bis zu 100 Prozent betragen können. Die Wirtschaftsleistung des fernöstlichen Landes könnte um 1,5 Prozent wachsen, heißt es. Europa würde mit einem jährlichen Plus von 0,14 Prozent belohnt. 4,6 Milliarden Euro wären zusätzlich für die deutschen Hersteller drin.

Doch darum geht es gar nicht. Die EU bastelt intern an einer Strategie für die mittelfristige und längere Zukunft, für die sie vielversprechende Partner braucht. Dazu gehört nicht zuletzt China, dessen Premierminister Le Kiqiang am Donnerstag in Brüssel erwartet wird. Dort geht es nicht mehr nur um die üblichen Klagen über Überproduktion und schlechte Qualität chinesischer Produkte, die EU-Behörden einziehen, weil sie nicht den europäischen Sicherheitsvorgaben entsprechen. Ausgerechnet beim zentralen Thema Klimaschutz, das US-Präsident Donald Trump beim G7-Gipfel so rüde abbügelte, ziehen Brüssel und Peking jedoch mehr und mehr an einem Strang, wenn auch auf höchst unterschiedlichem Niveau. Beide Partner versprechen sich von der intensiveren Nutzung erneuerbarer Energien für die Zukunft massive Wettbewerbsvorteile und setzen darauf, dass Strom aus Sonne und Wind extrem billig werden dürfte. Gemeinsam könnten China und die EU einen Beitrag leisten, den Weg des langfristigen Ausstiegs aus fossilen Energien weiterzugehen, heißt es in Brüssel.

Mit Japan und Singapur hat die EU Freihandelsabkommen bereits ausgehandelt, in beiden Fällen sind nur noch Feinheiten zu besprechen. Der handelspolitische Brückenschlag nach Asien verläuft daher durchaus nach Wunsch der EU und ihrer Unternehmen.

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