EU-Parlament hat Reformwerk verabschiedet Mehr Rechte für die Kapitäne der Straße

Brüssel · Trucker-Fahrer sollen in kürzeren Abständen zu Hause sein und nicht komplette Pausen im Führerhaus verbringen.

 Nach Plänen der EU-Kommission sollen Brummi-Kapitäne künftig nicht mehr so viel Zeit auf Rastplätzen verbringen statt daheim zu sein.

Nach Plänen der EU-Kommission sollen Brummi-Kapitäne künftig nicht mehr so viel Zeit auf Rastplätzen verbringen statt daheim zu sein.

Foto: dpa/Stephan Fricke

Der Lkw darf nicht länger das Zuhause für viele Fernfahrer sein. Nach jahrelangen Beratungen hat das Europäische Parlament gestern ein neues Regelwerk für bessere Arbeitsbedingungen von Truckern beschlossen. Selten war ein Kompromiss so schwierig. Zeitweise mussten die Abgeordneten sich durch über 1000 Änderungsanträge wühlen. Parlamentspräsident Antonio Tajani zweifelte noch vor Wochen, ob eine klare und überschaubare Abstimmung überhaupt möglich sein würde.

Doch nun steht fest: Lkw-Fahrer dürfen nicht mehr monatelang quer durch Europa unterwegs sein, sondern sollen mindestens alle vier Wochen wieder nach Hause zurückkehren dürfen. Außerdem muss ihnen eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden eingeräumt werden, die sie nicht in ihrem Führerhaus verbringen.

Beim Mindestlohn gab es am Ende der Beratungen dagegen nur eine schwache Übereinkunft. Die gesetzliche Untergrenze bei den Einkommen wird nämlich außer Kraft gesetzt, wenn ein Lkw-Lenker zwischen zwei Ländern unterwegs ist. Sobald ein Fahrer aber einen Transport innerhalb eines anderen EU-Landes übernimmt, gilt für ihn der dort vorgeschriebene Mindestlohn des Aufenthaltsstaates.

Solche sogenannte Kabotage-Fahrten werden darüber hinaus an strenge Auflagen gebunden: Nach drei Tagen muss das Fahrzeug ins Heimatland zurückkehren. Außerdem gelten diese Vorschriften nicht nur für schwere Lkw, sondern bereits für Transporter ab einem Gewicht von 2,4 Tonnen. Diese Regelung war im Vorfeld besonders umstritten, weil vor allem Logistik- und Speditionsunternehmen aus Bulgarien und Rumänien scharf protestiert hatten. Sie befürchten, künftig nicht mit der Konkurrenz im Westen mithalten zu können. Die anderen Staaten hatten wiederum versucht, sich gegen die Wettbewerber aus den Ost-Staaten zu wehren, weil deren Fahrer häufig schlechter bezahlt werden und so alle Versuche einer gerechten Entlohnung unterlaufen hatten.

Während der EU-Parlamentarier Dieter-Lebrecht Koch (CDU) das Gesamtpaket als wichtigen Schritt für mehr fairen Wettbewerb und bessere Arbeitsbedingungen bezeichnete, sagte der Grünen-Verhandlungsführer im EU-Parlament, Terry Reintke, der Grundsatz „gleiches Recht und gleicher Lohn für gleich Arbeit“ werde bei der jetzt getroffenen Vereinbarung nicht durchgehalten. Es drohe nun weiter „ein Wettrennen um die niedrigsten Standards“. Der SPD-Verkehrsexperte Ismail Ertug meinte dagegen, „alle seriös arbeitenden Unternehmen profitierten von den neuen Regeln“. Das „Nomadentum auf Europas Straßen wird beendet“.

Die Gewerkschaften äußerten sich skeptisch. Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis verlangte Nachbesserungen: „Die Möglichkeiten des Sozialdumpings werden durch die Entscheidung eigedämmt, aber nicht gänzlich beendet.“ Die Trucker müssen noch warten, bis die Vereinbarungen umgesetzt werden. Die Entscheidung des EU-Parlamentes bedarf noch der Zustimmung im Ministerrat der Mitgliedstaaten. Dort, so befürchten Vertreter vieler Fraktionen im Parlament, werde „das ganze Paket noch einmal neu aufgeschnürt“, so dass mit einer Verbesserung für die Lkw-Fahrer erst in frühestens zwei Jahren zu rechnen sei.

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