EU erspart Spanien und Portugal Strafen

Brüssel · Überraschend hat die EU-Kommission gestern keine Strafen gegen die Defizitsünder Spanien und Portugal verhängt. Wirtschaftlich und politisch sei der Schritt aktuell nicht sinnvoll, hieß es.

Die traurige Premiere wurde in letzter Minute abgesagt: Völlig überraschend ist die EU-Kommission gestern von der erwarteten harten Linie gegenüber Spanien und Portugal zurückgescheut und hat den beiden Defizitsündern hohe Strafen wegen fortgesetzten Ungehorsams erspart. Beide Länder verschulden sich seit Jahren mehr als mit jenen drei Prozent, die der Euro-Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgibt. Madrid verfehlte 2015 sein Defizitziel mit 5,1 Prozent deutlich und dürfte es auch im laufenden Jahr nicht schaffen. Lissabon bekam mit einer Neuverschuldung von 4,4 Prozent im Vorjahr seinen Etat ebenfalls nicht in den Griff. In dieser Situation hätte die Kommission eigentlich den 2011 verschärften Euro-Pakt anwenden müssen, der automatische Sanktionen vorsieht, die im äußersten Fall für Spanien bis zwei Milliarden Euro, für Portugal rund 360 Millionen Euro hätte betragen können.

Doch Währungskommissar Pierre Moscovici gab sich gnädig: "Das ist - wirtschaftlich und politisch - nicht der geeignete Augenblick, diesen Schritt zu machen." Nun will die EU-Behörde die Fälle im Juli noch einmal beraten und den Euro-Finanzministern, die die letzte Entscheidung über Milde oder Härte treffen müssen, empfehlen, den beiden Regierungen eine Schonfrist zu gewähren. Spanien müsste dann sein Defizit bis 2017 unter die Drei-Prozent-Hürde drücken, Portugal in diesem Jahr.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde 1997 vereinbart, um die Länder, die die Gemeinschaftswährung eingeführt haben, zur Etat-Disziplin zu zwingen. 2011 drehten die Mitgliedstaaten der Währungsunion noch einmal an den Stellschrauben, um die Verpflichtung noch unausweichlicher zu machen. Auch die Bußgeld-Drohung wurde verschärft. Dieses kann bis zu 0,2 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung des haushaltspolitischen Sünders betragen. Allerdings wurde es noch nie verhängt - auch jetzt nicht.

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