„Ein langsames Sterben“

Homburg · „Bosch bleibt“ heißt das Motto des Aktionstags. Auf Initiative der IG Metall und der Bosch-Betriebsrate demonstrieren die Beschäftigten der Standorte in Homburg und Neunkirchen morgen gegen den aus ihrer Sicht konsequent betriebenen Rückzug des Unternehmens aus dem Saarland.

 Wie lange werden in Homburg noch Diesel-Erzeugnisse hergestellt? Was kommt dann? Die Konzernleitung äußert sich nicht. Foto: Bosch

Wie lange werden in Homburg noch Diesel-Erzeugnisse hergestellt? Was kommt dann? Die Konzernleitung äußert sich nicht. Foto: Bosch

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Es wird still im Raum. Axel Busch, Betriebsratsvorsitzender des Bosch-Tochterunternehmens Bosch Emission Systems (BESG), berichtet von "vielen Familienvätern, die zu mir in die Sprechstunde kommen und weinen, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht". Ein Drama sei am Standort Neunkirchen im Gang, Busch spricht offen von "einem Vulkan, der bei uns brodelt. Ich habe Angst, wenn der explodiert."

Die Lage sei völlig verfahren. Während die Absatzzahlen der Produkte so gut seien wie nie zuvor, halte Bosch am Schließungsbeschluss für das Werk Ende 2017 fest. Niemand habe sich Vorschläge der Belegschaft angehört. "Wir könnten ein Leitwerk sein. Aber sie verschwenden keinen Gedanken daran. Es ist überhaupt nicht gewollt", kritisiert Busch die Bosch-Geschäftsführung.

Derzeit machten Gerüchte über einen Verkauf des Werkes an einen Interessenten die Runde. Man erfahre nichts Konkretes. Bei einem Verkauf entfalle jedoch für alle 200 betroffenen Mitarbeiter das Rückkehrrecht zur Bosch GmbH nach Homburg , während dies im Falle betriebsbedingter Kündigungen garantiert sei. Busch spricht vom "Ausbluten einer ganzen Region" und einem "langsamen Sterben" von Bosch im Saarland insgesamt. Dies werde zugleich Signalwirkung auf zahlreiche weitere Betriebe haben, weil sie dies als Zeichen ansehen, dass es sich im Saarland nicht mehr lohnt zu investieren.

Oliver Simon, Betriebsratsvorsitzender der Bosch GmbH in Homburg , teilt die Auffassung seines Kollegen. Die Konzernführung in Stuttgart betreibe ein schleichendes "Ausbluten" des Unternehmens an der Saar. Dies geschehe ohne betriebsbedingte Kündigungen, aber konsequent. Simon: "Ich bin 55 Jahre alt. Mit mir gehen in zehn Jahren weitere 1000 Leute in Rente. In 15 Jahren sind wir bei 2000 Leuten, in 20 Jahren bei 3000. All diese Leute werden nicht ersetzt." Seit 2001 habe es keine längerfristigen Neueinstellungen gegeben. Der Betriebsratschef fordert die Konzernführung zum Kurswechsel auf. Es müsse bei den heute 5600 Mitarbeitern bleiben. "Die Führung soll neue Produkte ansiedeln und ein Bekenntnis zur Region ablegen." Dies fordert auch der Betriebsratsvorsitzende von Bosch-Rexrodt, Stephan Huber, wo ebenfalls Arbeitsplätze auf der Kippe stehen.

Die IG-Metall-Bevollmächtigten Ralf Cavelius und Ralf Reinstädtler kritisieren die Haltung der Konzernspitze als nicht nachvollziehbar, zumal der Verbrennungsmotor noch lange gefragt bleibe.

Die Bosch-Betriebsräte und Vertreter der Gewerkschaft IG Metall wollen die Zustände nicht länger hinnehmen. Deshalb rufen sie für morgen unter dem Motto "Bosch bleibt" um 11.30 Uhr zu einer Großkundgebung vor dem Werk 1 in Homburg auf. Sie wollen die Konzernführung zu einem klaren Bekenntnis zum Standort Saarland aufrufen. Auf der Kundgebung sprechen auch Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD ) und IG-Metall-Bezirkschef Jörg Köhlinger.

Meinung:

Unhaltbare Zustände

Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia

Was die Bosch-Konzernführung in Stuttgart derzeit mit ihren Beschäftigten an den saarländischen Standorten veranstaltet, ist unseriös und auch unverschämt. Seit Jahren drängen Mitarbeiter wie Betriebsräte vergeblich auf klare Aussagen darüber, was in Zukunft an der Saar produziert werden soll. Was soll folgen, wenn die Diesel-Produkte einmal nicht mehr so gefragt sein sollten? Oder spielt der Standort Saarland in der Bosch-Strategie keine Rolle mehr? Konzernchef Volkmar Denner schweigt beharrlich, erwartet aber vollen Einsatz von seiner Belegschaft. Es wird Zeit, das sich "der Chef" persönlich sehen lässt und für Klarheit sorgt. Aber womöglich weiß er selber nicht, was nach dem Diesel kommt.

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