Ein Fest des Expressionismus

Saarbrücken · Ganz im Zeichen des Expressionismus steht der dreiteilige Tanzabend im Staatstheater: Ballettchef Stijn Celis choreografiert Bartóks „Wundersamen Mandarin“, der junge Franzose Martin Chaix bringt Strawinskys „Feuervogel“ neu auf die Bühne. Außerdem zeigt das Ballett Jiri Kyliáns „Vergessenes Land“, einen Welthit des zeitgenössischen Tanzes.

 Szene aus dem „Feuervogel“ mit Jin Young Won und Francesco Veccione. Foto: Bettina Stöß

Szene aus dem „Feuervogel“ mit Jin Young Won und Francesco Veccione. Foto: Bettina Stöß

Foto: Bettina Stöß

Dem kundigen Saarbrücker Ballett-Publikum ist Jiri Kylián gut bekannt: Der langjährige Leiter des Netherlands Dance Theater, das zu den bekanntesten zeitgenössischen Tanz-Compagnien der Welt gehört, gastierte 2011 beim Now-Tanzfestival in Saarbrücken. Und auch der neue Ballettdirektor Stijn Celis lud eine Choreografie von Kylián ("La cathédrale engloutie" von 1975) zu seinem ersten Tanzfestival im vergangenen Herbst ein. Am Samstag können sich die Fans des berühmten Choreografen auf "Vergessenes Land" freuen, das der gebürtige Tscheche 1981 für das Stuttgarter Ballett schuf, wo er bis Mitte der 1970er Jahre selbst unter dem legendären Ballettchef John Cranko tanzte. Zu Benjamin Brittens "Sinfonia da requiem" (uraufgeführt 1941) hat Kylián eine temporeiche, auf Pas-de-deux aufbauende Choreografie entwickelt, die den Kreislauf der Natur, das Kommen und Gehen thematisiert und als ein Meisterwerk gilt. Das Saarbrücker Ballettensemble ist erst die dritte deutsche Compagnie, die das Stück im Repertoire hat. Es gelte als große Herausforderung für die Tänzer, sagt Ballettdramaturg Klaus Kieser.

Bei Bartóks "Wundersamem Mandarin" von 1926 ist es vor allem die schwierige, in Teilen dissonante Musik, die Stijn Celis reizte, die Tanzpantomime neu zu choreografieren. Und die groteske Exotik. Als das Stück 1926 in Köln uraufgeführt wurde, verursachte es einen handfesten Theaterskandal: Kölns damaliger Oberbürgermeister, Konrad Adenauer, ließ es als moralisch verwerfliches "Dirnen- und Zuhälterstück" (so ein Kritiker) vom Spielplan nehmen. Es geht um eine Frau, die von "drei Strolchen" (Zuhältern) gezwungen wird, Männer anzulocken. Darunter ist der exotische Mandarin, den die Männer ausrauben wollen. Er verliebt sich in die Frau, überlebt drei Mordversuche - bis er in den Armen der Geliebten landet und schließlich erlöst stirbt. Die Handlung ist bizarr, nur vordergründig geht es um "Sex and Crime". Vielmehr steht die erlösende Kraft der Liebe im Mittelpunkt.

Der Abend endet mit Martin Chaix' Neuinterpretation des berühmten "Feuervogels". Die ursprüngliche Choreografie von Michail Fokin (1880 bis 1942) gilt als ein Meilenstein des modernen Balletts, vor allem wegen ihrer bis dato nicht gekannten Einheit von Tanz, Musik und Ausstattung. Uraufgeführt wurde der "Feuervogel" 1910 in Paris von Sergei Diaghilews berühmtem Tanzensemble "Ballets russes" zur berauschenden Musik des damals noch unbekannten Igor Strawinsky. Das Stück, basierend auf einem alten russischen Märchen, begeisterte das Publikum mit fantastischen Kostümen, einem üppigen, prachtvollen Bühnenbild und ausdrucksstarken Tanzbewegungen. Es fällt in die Geburtsstunde des Expressionismus.

Der junge Choreograf Martin Chaix, bis 2015 Tänzer in Martin Schläpfers preisgekröntem Ballett am Rhein (Düsseldorf), hat sich nun auf Einladung des Saarbrücker Ballettchefs Stijn Celis an diese Ikone des modernen Tanzes gewagt. "Ein Handlungsballett ist eine Herausforderung", sagt Chaix, zumal die Latte bei diesem Stück, das schon viele berühmte Choreografen von Balanchine bis Béjart interpretiert haben, besonders hoch hängt. In seiner Version stehe nicht das Magische, Märchenhafte im Vordergrund. Er wolle das russische Märchen vom Zaubervogel, der den jungen, verliebten Ivan vor dem bösen Zauberer Kaschtschei rettet, vor allem als eine Liebesgeschichte zwischen Ivan und der vom Zauberer gefangen gehaltenen Prinzessin erzählen. Die tänzerische Darstellung der inneren Haltung der vier interagierenden Hauptfiguren Vogel, Ivan, Prinzessin und Zauberer stünden daher im Vordergrund. "Das Publikum soll Raum haben für eigene Interpretationen", sagt Chaix. Der Abend könnte tänzerisch wie musikalisch ein Fest werden.

Premiere: Samstag, 19.30 Uhr, im Staatstheater. Karten unter Tel. (06 81) 30 92 486

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