Probleme am Weltmarkt Industrie fordert härteren China-Kurs

Berlin/Peking · China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Jetzt wehrt sich die deutsche Industrie gegen die protektionistische Industriepolitik Chinas.

 Die Fusion von Siemens und Alstom zu einem Euro-Giganten gilt für die Industrie als richtige Antwort auf die staatliche Industriepolitik Chinas. Doch die EU wehrt sich gegen den Zusammenschluss. 

Die Fusion von Siemens und Alstom zu einem Euro-Giganten gilt für die Industrie als richtige Antwort auf die staatliche Industriepolitik Chinas. Doch die EU wehrt sich gegen den Zusammenschluss. 

Foto: dpa/Marijan Murat

(dpa) Dumping-Preise, Übernahmen europäischer Hightech-Firmen, staatliche Eingriffe – China wird auch mit umstrittenen Methoden zur wirtschaftlichen Supermacht. Die deutsche Industrie schlägt nun Alarm. Sie fordert einen härteren Kurs gegenüber Peking. Die Marktwirtschaft müsse „widerstandsfähiger“ gemacht werden, heißt es in einem Grundsatzpapier des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). „Zwischen unserem Modell einer liberalen, offenen und sozialen Marktwirtschaft und Chinas staatlich geprägter Wirtschaft entsteht ein Systemwettbewerb.“

Kernaussage des Papiers ist: Die europäische und deutsche Industrie mit dem Modell einer liberalen und sozialen Marktwirtschaft ist noch in einer starken Position auf dem Weltmarkt. Doch China wird immer stärker – und die EU muss aufpassen, bei Zukunftstechnik wie Künstlicher Intelligenz nicht den Anschluss zu verlieren. Deswegen müsse die EU ihre Instrumente nachschärfen und der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt mehr entgegensetzen.

China entwickle sich entgegen früherer Erwartungen absehbar nicht hin zu Marktwirtschaft und Liberalismus, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf. Das Land verzerre durch staatliche Eingriffe Märkte und Preise. Die Folge seien weltweite Überkapazitäten etwa bei Stahl. Künftig sei damit auch zum Beispiel bei Robotik oder Batteriezellen zu rechnen.

Der BDI legt 54 Forderungen vor, damit Europa und Deutschland wettbewerbsfähiger gegenüber dem chinesischen Staatskapitalismus werden können. Unter anderem müssten das EU-Beihilferecht und die Anti-Subventions-Instrumente geschärft werden. Europa müsse effektiv gegen Firmen vorgehen können, die nicht in der EU produzieren und staatliche Subventionen erhalten.

Zwar seien ausländische Investitionen auch aus China grundsätzlich willkommen. Es solle aber eine Subventionskontrolle eingeführt werden, die staatlich finanzierte Übernahmen europäischer Technologieunternehmen untersuchen und notfalls verhindern soll. In der öffentlichen Auftragsvergabe sollten hohe Qualitätsstandards ein Muss werden, Dumping-Preise ausländischer Anbieter müssten auf Subventionen durchleuchtet werden können.

Auch die EU-Fusionskontrolle müsse man anpassen. Während in China durch Eingriffe der Regierung im weltweiten Maßstab Großkonzerne geschmiedet werden, berücksichtigen die EU-Wettbewerbshüter als relevanten Markt bei europäischen Fusionen allein den hiesigen Binnenmarkt. Europäische Champions sollten zugelassen werden. Ein Beispiel ist die geplante Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom. Die EU hat dagegen Bedenken.

Siemens-Chef Joe Kaeser warnte vor einem Scheitern: „Die beabsichtigte Formung eines global agierenden europäischen Champions in der Bahntechnik wird ein prominenter Testfall werden, ob die Europäische Union verstanden hat, wie man mit umsichtiger und langfristig angelegter Unternehmenspolitik nachhaltige Antworten auf staatsgelenkte Firmenpolitik findet“, sagte Kaeser, künftiger Chef des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.

China ist wichtigster Handelspartner Deutschlands außerhalb der EU. Das Reich der Mitte versucht seit Jahren, über Firmenkäufe Spitzentechnologie zu übernehmen und über Investitionen in die Infrastruktur politischen Einfluss zu gewinnen. Das Hauptvehikel ist die „neue Seidenstraße“. Bis 2049, zum 100. Geburtstag der Volksrepublik, will China technologisch Weltspitze sein.

Die deutsche Industrie wolle auch weiterhin die Chancen des wirtschaftlichen Austausches mit China nutzen, betonte Kempf. Direkte Markteingriffe sollten in Europa die Ausnahme bleiben. Jedoch dürfe niemand die Herausforderungen, vor die China die EU und Deutschland stelle, ausblenden: „Ohne in unsere Infrastruktur zu investieren, unsere Bildungssysteme zu verbessern und die Forschung und Entwicklung in Zukunftsbranchen zu fördern, haben wir wenig Chancen, mit einem China zu konkurrieren, das genau diese Dinge tut.“

Der Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, bescheinigte deutschen Managern und Politikern, „viel zu naiv“ zu sein. Der „Wirtschaftswoche“ sagte er: „Als der China-Boom begann, war unsere Annahme, dass sich Marktwirtschaft, Liberalismus und Demokratie einander bedingen, wir also nur lange genug Freihandel treiben müssen, damit China zu einer Demokratie wird.“

Die Grünen-Politikerin Kerstin Andreae sagte: „Es ist wichtig und richtig, dass Deutschland und Europa eine selbstbewusstere Haltung gegenüber China an den Tag legen. Die Bundesregierung agiert hier viel zu zurückhaltend.“

(dpa)
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