Angedrohte Zölle auf Stahl und Aluminium Der Stahlstreit mit den USA ist nur verschoben

Brüssel · Die nächsten vier Wochen wollen die EU und die USA für Verhandlungen nutzen. Noch kann ein Handelskrieg womöglich verhindert werden.

 US-Zölle auf Stahl sind ein heißes Eisen. Unser Bild zeigt einen Hochofenabstich in Duisburg. 

US-Zölle auf Stahl sind ein heißes Eisen. Unser Bild zeigt einen Hochofenabstich in Duisburg. 

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Bis zur letzten Minute seines Ultimatums ließ US-Präsident Donald Trump die Europäer bangen. Dann verlängerte er in der Nacht zum Dienstag die Schonfrist bis zum 1. Juni. Nun liegt ein Monat intensiver Verhandlungen vor den USA und der EU. Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Was verlangt Trump von den Europäern?

Es ist klar, dass der amerikanische Präsident die Stahlimporte aus der EU (aber auch aus Mexiko, Kanada, Australien, Brasilien und Argentinien) deutlich reduzieren will. In der Mitteilung des Weißen Hauses ist von Quoten oder Obergrenzen die Rede. Es liegt der konkrete Vorschlag auf dem Tisch, die Einfuhren auf dem Stand von 2017 einzufrieren. Nur dann will der US-Präsident auf Zölle verzichten.

Könnte die EU damit nicht leben?

Die Mitgliedstaaten der EU lehnen Obergrenzen als Eingriff in den Markt bisher strikt ab, weil sie noch mehr Probleme als Zölle bringen. Das Konzept von Handelskommissarin Cecilia Malmström sieht stattdessen eine Korrektur des gesamten Zollsystems vor. Dabei würden die Europäer ihre Importabgaben da reduzieren oder angleichen, wo sie deutlich über den amerikanischen Zöllen liegen – zum Beispiel bei Autos. Das macht deshalb Sinn, weil das bisherige Abgabensystem teilweise Jahrzehnte alt und überholt ist.

Also eine Art abgespeckte Version des gescheiterten Freihandelsabkommens TTIP?

Die EU kann sich so etwas vorstellen. Allerdings erscheint es illusorisch, ein derart umfassendes Regelwerk binnen vier Wochen zu erstellen. In Brüssel wird deshalb auch daran gedacht, mit den USA eine bilaterale Vereinbarung zu treffen, um dann gemeinsam China zum Abbau seiner Überkapazitäten bei Stahl zu zwingen. Das könnte Trump dann als seinen Sieg feiern.

Wie geht es jetzt konkret weiter?

Schon in den vergangenen Wochen wurde auf Expertenebene intensiv verhandelt. Diese Gespräche werden fortgesetzt. Die wichtigsten Themen werden dabei die vorgeschlagenen Obergrenzen und Quoten für Stahl und Aluminium sein, aber eben auch die Reform des gesamten Zollwesens, das die EU bevorzugt. Es läuft zwar zeitgleich eine Beschwerde der EU gegen die US-Zölle bei der Welthandelsorganisation. Aber dort sind wichtige Richter-Stellen unbesetzt. Deshalb ist die WTO derzeit kaum handlungsfähig. Von dort sind also keine Impulse zu erwarten.

Wie haben denn die großen deutschen Verbände auf die Verlängerung des Ultimatums reagiert?

Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, begrüßte zwar die „weiterhin kurze Atempause“, forderte aber eine „dauerhafte Befreiung von den Zöllen, denn die EU-Stahlindustrie gefährdet nicht die nationale Sicherheit in den USA“. Damit hatte Trump seine Forderung nach Einfuhrbeschränkungen begründet. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Utz Tillmann, sagte, er erwarte von der EU „institutionelle Veränderungen“, damit die Gemeinschaft „künftig US-Präsident Trump und Chinas Staatspräsident XI auf Augenhöhe begegnen kann“.

Die EU hat ja einige Gegenmaßnahmen vorbereitet. Bleiben die in Kraft?

Ja, es gibt eine Liste, die US-Produkte wie Erdnussbutter, Motorräder und Whiskey um insgesamt 2,8 Milliarden Euro verteuern würde. Mit dieser Drohung hat die EU durchaus Eindruck gemacht und die betroffenen Branchen in den USA gegen die Pläne des Präsidenten aufgebracht. Das Problem besteht nur darin, dass ein solcher „Racheakt“ der Europäer in den eigenen Reihen umstritten ist. Denn dadurch würde eine Spirale in Gang gesetzt, weil auch Trump bereits reagierte und für den Fall derartiger Zollerhöhungen auf amerikanische Importe in den EU ebenfalls antworten würde. Das Instrument führt also nicht zu einer Entspannung, sondern zur Eskalation.

Wer führt eigentlich die Verhandlungen auf europäischer Seite?

Das wird auch weiter die aus Schweden stammende EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sein, obwohl ihr bisher kein offizielles Mandat übertragen wurde. Da es derzeit aber nur um reine Handelsfragen geht, ist sie zuständig, weil die Mitgliedsstaaten vereinbart haben, die Handelspolitik in die Verantwortung der Kommission zu geben. Sollte es allerdings um ein TTIP-light-Abkommen gehen, in dem auch Verbraucherschutzfragen oder Themen wie Umwelt und Beseitigung nichttarifärer Hemmnisse – dazu zählen zum Beispiel technische Auflagen – geregelt werden sollten, wären alle 28 Mitgliedstaaten mit zuständig und jedes Parlament hätte ein Mitspracherecht.

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