Bezahlbar wohnen Neue Wohnungen durch höhere Häuser?

Berlin · In vielen Häusern könnten Dachgeschosse ausgebaut werden gegen Wohnungsmangel. Die Politik erwägt eine steuerliche Förderung.

 Bislang ist der Ausbau eines Dachstuhls steuerlich unattraktiv. Die Politik erwägt Erleichterungen, damit mehr Wohnungen entstehen.

Bislang ist der Ausbau eines Dachstuhls steuerlich unattraktiv. Die Politik erwägt Erleichterungen, damit mehr Wohnungen entstehen.

Foto: dpa-tmn/Kai Remmers

In Deutschland fehlen Wohnungen – und zwar ziemlich viele: Allein in den 77 deutschen Großstädten werden nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen dringend benötigt. Die große Koalition will mit einer Bauoffensive gegensteuern. Jetzt kommt noch ein Vorschlag hinzu: die Aufstockung von bereits bestehenden Häusern.

Auf den Dächern könnten über eine Million neue Wohnungen errichtet werden, „und zwar ganz ohne neues Bauland zu benötigen oder weitere Grünflächen zu versiegeln“, sagt Unionsexperte Jan-Marco Luczak (CDU) unserer Zeitung. So sieht man das auch im Bundesrat: Der Länderkammer liegt ein Antrag Bayerns vor, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die beschleunigte steuerliche Abschreibung von Wohnungen einzuführen, die durch Aufstockungen entstehen.

Anlass ist eine Studie der technischen Universität Darmstadt, die unlängst zu dem Ergebnis kam, dass bei 580 000 Mehrfamilienhäusern – vor allem der Baujahre 1950 bis 1989 – in Regionen mit erhöhtem Bedarf eine Erhöhung technisch möglich sei. Dadurch könnten 1,1 Millionen Wohnungen geschaffen werden. In dem bayerischen Antrag heißt es daher, die steuerliche Förderung von Aufstockungen müsse attraktiver sein als die für Neubauten. Denn zusätzliche Wohnungen in einem bestehenden Haus seien durch die Vorschriften beim Brandschutz oder durch den Einbau eines Lifts oft teurer. Bei den Herstellungskosten schwebt dem Freistaat eine Zehn-Prozent-Abschreibung für zehn Jahre vor.

Damit kann sich offenbar auch die Union in Berlin anfreunden. Eine „besondere steuerliche Förderung“ müsse geprüft werden, sagt Luczak. Der Bund und die Länder sollten „hier ein attraktives Investitionsumfeld und dadurch Anreize schaffen“. Beim Koalitionspartner SPD heißt es: „Dachwohnungsbau spart Baugrund.“ Der Bund gebe allerdings den Ländern und Kommunen schon Milliardenmittel, „damit sie flächendeckend aufstocken können“, sagt der wohnungspolitische Sprecher, Bernhard Daldrup. „Wir brauchen einen Mix aus vielen Maßnahmen.“ Dazu gehöre auch die Überlegung, auf Lebensmittelmärkten neue Domizile zu schaffen. „Discounter unten und Wohnraum oben“, sagt Daldrup.

Auch die Opposition sieht in der Erhöhung von Häusern eine Möglichkeit, um gegen die Wohnungsnot vorzugehen. Wenn der Staat jedoch Steuergelder an private Investoren gebe, bedürfe es auch einer Gegenleistung wie einer Mietobergrenze, sagt Grünen-Experte Chris Kühn auf Nachfrage. „Eine blinde Förderung von Luxusdachgeschosswohnungen“ müsse verhindert werden. Und nach Ansicht der FDP werden erhöhte Abschreibungssätze dem Problem allein nicht gerecht. Es seien vor allem baurechtliche Vorschriften in den Ländern, „die einer stärkeren Nutzung der Dächer im Weg stehen“, sagt Wohnungsbauexperte Daniel Föst.

Der Antrag Bayerns soll am 21. September im Bundesrat beraten werden. Am selben Tag lädt Angela Merkel (CDU) zum großen Wohngipfel ins Kanzleramt ein. Auf der Tagesordnung stehen das Mietrecht, der soziale Wohnungsbau, die Beschleunigung von Bau- und Genehmigungsprozessen. Und weitere „praktische Maßnahmen“, wie es heißt. Der Dachausbau und seine Förderung könnten dazugehören.

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