Berlin Das soll im Verkehr zum Klimaschutz passieren

Berlin · Der CO2-Austoß des Verkehrs in Deutschland ist gestiegen. Das soll sich ändern. Politik, Wirtschaft und Umweltverbände ringen um Lösungen.

 Autos sollen künftig viel weniger Luftschadstoffe ausstoßen. Und viele Autos sollen gar keine Auspuffrohre mehr haben.

Autos sollen künftig viel weniger Luftschadstoffe ausstoßen. Und viele Autos sollen gar keine Auspuffrohre mehr haben.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Schon die Optik des Beschlussentwurfs, der unserer Zeitung vorliegt, zeigt, wie heikel das Thema ist. Auf jeder Seite steht dick in Rot der Warnhinweis, dass es sich nur um ein Arbeitspapier handele. Und im wichtigsten Kapitel „Schlussfolgerungen und Ausblick“ gab es kurz vor der entscheidenden Sitzung am Montag noch große Lücken. Keine der Kommissionen, die die Regierung zur Erreichung der deutschen Klimaziele eingesetzt hat, tat sich so schwer wie die zum Verkehr. Eine Verlängerung oder gar ein Scheitern lagen den ganzen Montag über in der Luft.

Zur Begleitmusik hatten von Anfang an massive öffentliche Einwürfe aller Seiten gehört. Die Umweltverbände zum Beispiel wollten dem Verbrennungsmotor durch eine Verteuerung des Treibstoffs schneller den Garaus machen. Das lehnten Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und beim Diesel auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ab. Allerdings ist das Modell einer CO2-Steuer von bis zu 80 Cent je Liter im Schlussentwurf noch enthalten. Nicht jedoch die zwischenzeitlich veröffentlichte Idee, auf Autobahnen ein Tempolimit einzuführen. Sie wurde von Scheuer als „gegen jeden Menschenverstand“ bezeichnet, von Schulze als „komplett unrealistisch“ und war zuletzt im Entwurf nur noch als Wunsch einiger Mitglieder in einer Fußnote erwähnt.

Der Verkehr stößt derzeit 167 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus und hat sich als einziger Bereich seit 1990 nicht verbessert. Zielgröße für 2030 sind 95 Millionen Tonnen, also 72 Millionen Tonnen weniger. Einen Teil soll die schon beschlossene Senkung der EU-CO2-Grenzwerte für Neufahrzeuge auf durchschnittlich 95 Milligramm je Kilometer ab 2021 bringen. 55 Millionen Tonnen CO2 galt es also darüber hinaus irgendwie einzusparen. Mit sehr vielen Einzelmaßnahmen. Die Kommissionsarbeit war wie ein Puzzle.

Bis zu acht Millionen Tonnen CO2 sollen durch den Ausbau des Schienenverkehrs um rund ein Drittel und die Verdoppelung des Fahrradverkehrs eingespart werden. Da war man sich schnell einig. Ob solche Zuwächse realistisch sind, blieb unklar. Weitere bis zu zehn Millionen Tonnen erwartet man sich von „Effizienzsteigerungen“, darunter etwa digitale Parksuchsysteme oder die Öffnung der Standspur bei starkem Verkehrsaufkommen. Problem aus Sicht der Experten: „Wenn die Kunden weiter zu größeren und schwereren Fahrzeugen greifen, werden Effizienzverbesserungen aufgehoben oder sogar überkompensiert.“ Die Industrie brachte auch den massiven Einsatz von Biosprit und synthetischer Kraftstoffe ins Spiel, was die Umweltverbände in der Größenordnung jedoch für unrealistisch hielten.

Die eigentliche Lösung soll im schnellen Ausbau der Elektromobilität liegen. 2030 sollen bis zu 10,5 Millionen E-Autos auf der Straße sein. Zum Vergleich: Derzeit sind nur 19 000 unterwegs. Bis zu 13 Millionen Tonnen CO2 könne der „Antriebswechsel“ bei Pkw und Lkw bis 2030 einsparen, heißt es. Auch um den dafür notwendigen Ausbau der entsprechenden Lade-Infrastruktur ging es. Offen blieb, ob eine solche Revolution auf den Straßen realistisch ist und was der Staat dazu beitragen muss. Von „Luftbuchungen“ sprachen die Grünen. VW forderte am Wochenende, der Staat solle die Elektromobilität stärker fördern. Der Wolfsburger Konzern hatte sich im internen Streit der deutschen Hersteller um den Antrieb der Zukunft mit dem Konzept der Batterieautos durchgesetzt. Hybride und Brennstoffzellen sollen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Im Hintergrund spielen auch die Folgen für die Arbeitsplätze eine Rolle. 800 000 Jobs hängen in Deutschland direkt am Auto. Der Wechsel vom Verbrennungsmotor zum E-Auto könnte mindestens 100 000 davon kosten.

Drücken kann sich Deutschland bei diesem schwierigen Thema allerdings nicht. Die Klimaziele sind europäisches Recht. Bei ihrem Verfehlen drohen Berlin Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Die Koalition hatte daher erst vor zwei Wochen bekräftigt, dass sie noch in diesem Jahr ein umfassendes und verbindliches Klimaschutzgesetz für alle Bereiche beschließen will, inklusive Verkehr. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich übernahm die Leitung eines „Klimakabinetts“, um das durchzusetzen.

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