Arzneimittelhersteller Ursapharm Damit Schichtarbeit weniger belastet

Saarbrücken · Der Saarbrücker Arzneimittelhersteller Ursapharm hat ein neues System für die 24-Stunden-Produktion eingeführt – mit weniger Arbeit und mehr Freizeit.

 Die Produktionsmitarbeiter des Saarbrücker Arzneimittel-Herstellers Ursapharm müssen strenge hygienische Vorgaben erfüllen.

Die Produktionsmitarbeiter des Saarbrücker Arzneimittel-Herstellers Ursapharm müssen strenge hygienische Vorgaben erfüllen.

Foto: Werner Bachmeier - Fotograf, Eb/Werner Bachmeier

Der Saarbrücker Arzneimittel-Hersteller Ursapharm hat ein Problem, um das ihn viele Firmenchefs beneiden würden. „Die Nachfrage nach unseren Produkten ist so groß, dass wir mit der Fertigung ständig am Anschlag sind“, sagt Ursapharm-Kommunikationschef Boris Röder. „Schon seit Jahren wächst das Arbeitspensum“, erzählt der Betriebsratsvorsitzende Bernd Hautz. Reichte anfangs noch die normale Fünf-Tage-Woche, um die Aufträge abzuarbeiten, ist zumindest an den zwei sogenannten Schnellläufer-Linien die 24-Stunden-Produktion an sieben Tagen inzwischen die Regel.

Um die Arbeit leisten zu können, ohne dass die Mitarbeiter zu stark unter Druck geraten, „haben wir ein Schichtmodell entwickelt, das bei den Beschäftigten auf enormen Zuspruch stößt“, sagt Johannes Kirsch, Geschäftsleiter Personalmanagement bei Ursapharm. Eingeführt wurde es im April. Derzeit sind erst 50 Frauen und Männer von insgesamt knapp 600 Ursapharm-Beschäftigten davon betroffen. Doch es werden bald 80 sein, und das neue Schichtsystem soll „als Blaupause dienen, wenn andere Bereiche danach arbeiten wollen“, sagt Sabine Rott, Assistentin des technischen Geschäftsleiters.

Das Kernelement des Modells: Die wöchentliche Arbeitszeit wurde von tariflich vereinbarten 37,5 auf 35,7 Stunden zurückgefahren – inklusive zwei bezahlter Kurzpausen von jeweils einer Viertelstunde. Das dadurch um etwa fünf Prozent reduzierte Grundgehalt „wurde bei der Umfrage zur Akzeptanz des Schichtmodells von 80 Prozent der Betroffenen befürwortet“, betont Hautz. „Das Mehr an Freizeit war den meisten lieber.“ Für die nötige Erholung sorge auch, dass nach den Nachtschichten fünf freie Tage am Stück winken. Außerdem seien bei 202 Schichten pro Jahr 22 komplett freie Wochenenden garantiert. Allerdings hätten für die beiden Linien zehn neue Mitarbeiter eingestellt werden müssen, um alle Schichten mit dem erforderlichen Personal fahren zu können.

Das zuerst angedachte Schichtmodell der geschäftsführenden Gesellschafter Frank und Dominik Holzer hätte laut Betriebsrat  den Mitarbeitern „wesentlich mehr abverlangt“ – unter anderem 224 Schichten pro Jahr, eine Wochenarbeitszeit von 37,33 Stunden und nur zwölf komplett freie Wochenenden jährlich.  Hier hätte der zusätzliche Personalbedarf bei fünf Personen gelegen.

Nach „hartem Ringen und zähen Verhandlungen“ konnte der Betriebsrat sein Schichtmodell am Ende weitgehend durchsetzen. Auch die Arbeitnehmer-Vertreter hatten sich bei vielen Fachleuten Rat geholt, unter anderem bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, aber auch bei Betriebsräten von Unternehmen, die ebenfalls in der Arzneimittel-Fertigung tätig sind. Eingebunden war darüber hinaus die Arbeitskammer des Saarlandes mit ihrer Beratungsstelle „Best“. Auch die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) gab am Ende grünes Licht, nachdem geklärt war, dass das Schichtmodell mit den Tarifverträgen im Einklang steht. Insgesamt dauerte der gesamte Prozess mehr als ein Jahr.

 Sie loben das neue Schichtarbeitsmodell bei Ursapharm: Johannes Kirsch (von links), Geschäftsleiter Personalmanagement, Betriebsratschef Bernd Hautz, Sabine Rott, Assistentin des technische Geschäfsleiters, und Kommunikationschef Boris Röder.

Sie loben das neue Schichtarbeitsmodell bei Ursapharm: Johannes Kirsch (von links), Geschäftsleiter Personalmanagement, Betriebsratschef Bernd Hautz, Sabine Rott, Assistentin des technische Geschäfsleiters, und Kommunikationschef Boris Röder.

Foto: Oliver Dietze

„Wir sind überzeugt, dass mit der neuen Arbeitszeit-Regelung auch der Krankenstand zurückgeht, der bei uns sowieso nicht besonders hoch ist“, meint Betriebsratschef Hautz. Außerdem komme der Schichtrhythmus „älteren Mitarbeitern entgegen – besonders die fünf freien Tage nach den Nachtschichten“, sagt er. „Wer will, dass die Menschen bis 67 und darüber hinaus arbeiten sollen, muss auch für die entsprechenden Voraussetzungen sorgen.“ Hautz will das Modell auch auf dem Deutschen Betriebsrätetag im November in Bonn vorstellen. „Das Interesse ist jetzt schon riesig.“

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