Bei Brot und Brötchen geht's um die Wurst

Saarbrücken/Berlin · Wurst und Backwaren gehören zum Alltag dazu. Doch kommen sie aus dem Supermarkt oder vom Fleischer und Bäcker um die Ecke? Für die Handwerker in der Lebensmittelbranche ist das eine Frage der Existenz.

 Noch ist die Brot- und Brötchenvielfalt in Deutschland beeindruckend. Aber die Gefahr ist groß, dass sie schrumpft.

Noch ist die Brot- und Brötchenvielfalt in Deutschland beeindruckend. Aber die Gefahr ist groß, dass sie schrumpft.

Foto: Knecht/dpa

Standardbrötchen? Nein, die gibt es bei Martina Ziegler nicht. Die Geschäftsführerin dreier Filialen der saarländischen Traditionsbäckerei Ziegler weiß, wie wichtig es für Bäckereien heutzutage ist, sich immer wieder neu zu erfinden. "Vor 20 Jahren war gar nicht daran zu denken, dass es irgendwann eng werden würde", sagt Ziegler. Eng wird es im Brot-Geschäft vor allem durch die Konkurrenz der Discounter. Mit dieser seien die zehn Filialen der Firma Ziegler im Saarland bisher gut zurecht gekommen, sagt die Unternehmerin. Doch nicht allen Betrieben geht es so. Die Zahlen, die die Bundesregierung jüngst zusammengetragen hat, sind beunruhigend: 1995 zählte der Zentralverband des Deutschen Handwerks bundesweit noch 51 764 Bäcker- und Fleischerbetriebe. 20 Jahre später, 2015, waren es nur noch gut halb so viele: 26 603.

Im Saarland ist die Entwicklung ähnlich: Während es noch vor 20 Jahren 469 Bäckerbetriebe gab, waren es im Jahr 2015 mit 232 Bäckereien nur noch knapp die Hälfte. Die Zahl der in der Region ansässigen Metzgereien ist prozentual noch stärker zurückgegangen. 1995 waren noch 340 Fleischereien im Saarland registriert. Im vergangenen Jahr waren davon nur noch 157 Metzgereibetriebe übrig geblieben.

Doch allzu düster wollen die Fachverbände das Bild nicht zeichnen. So hätten etwa die 12 155 Bäckerbetriebe im Land ihren Umsatz um eine halbe Milliarde auf 14 Milliarden Euro gesteigert, sagt Daniel Schneider vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Allerdings: Gut 65 Prozent des Gesamtumsatzes wurde von nur 4,3 Prozent der Betriebe erwirtschaftet. Für die schönen Zahlen sind die großen Bäckereiunternehmen zuständig, viele kleine mussten schließen.

Dieses Schrumpfen der Kleinbetriebe sehen die Grünen im Bundestag, die eine Anfrage zur Lage der Fleischer- und Bäckereibetriebe an die Bundesregierung gestellt haben, mit Sorge. "Die Entwicklung ist alarmierend. Es ist höchste Zeit, das Bäckerei- und Metzgerei-Sterben zu stoppen", sagt der saarländische Grünen-Bundestagsabgeordnete Markus Tressel. Viele Kleinbetriebe müssten wie alle Stromkunden die EEG-Umlage bezahlen, die die Energiewende mitfinanziert. Rabatte bekämen Großbetriebe und Hersteller von sogenannten Teiglingen, die auch den deutschen Einzelhandel mit backfertigem, gefrorenem Teig belieferten. Die Grünen fordern, dass Unternehmen, die eine Umlage-Befreiung beantragen, nachweisen müssen, dass sie im internationalen Wettbewerb stehen. Zudem müsse die Übergangsregelung begrenzt werden, die derzeit Unternehmen befreie, einzig, weil sie schon immer befreit waren.

Doch nicht nur das Finanzielle ist ein Problem. Oft fänden die Betriebe keinen geeigneten Nachfolger mehr, sagt Markus Strauß, Geschäftsführer der Fleischerinnung des Saarlands. In der Regel würden Unternehmen innerhalb der Familie oder an langjährige Mitarbeiter weitergegeben. Ist lange Zeit kein Nachfolger in Sicht, würden Investitionen schleifen gelassen. "Wenn sich dann doch jemand findet, ist er häufig nicht in der Lage oder nicht bereit, den Investitionsstau aufzulösen", sagt Strauß.

Auch der Nachwuchs lässt sich immer seltener begeistern. Die Arbeitszeiten nachts oder am Wochenende seien für junge Menschen wenig attraktiv, sagt Stefan Emser, Teamleiter Berufsausbildung an der Handwerkskammer des Saarlandes . Im neuen Ausbildungsjahr, das im August beginnt, werden Lehrstellen frei bleiben. Bei den Fleischern waren es vergangenes Jahr deutschlandweit 1700 - etwa jeder fünfte Platz. Die saarländischen Metzger hätten derzeit noch sechs von 60 Stellen anzubieten, die Bäcker in der Region zwölf von 86 Plätzen.

Dass sich in Zukunft keiner mehr für das Handwerk interessiert, kann sich Martina Ziegler nicht vorstellen. Die Unternehmerin ist optimistisch: "Man darf nicht alles schwarz sehen und muss hoffen, dass Qualität am Ende siegt."

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