„Begriff der Gerechtigkeit wird missbraucht“

Der politische Einfluss auf die Märkte ist zu groß. Das führt zu Fehlanreizen, ist der Wirtschaftsrechtler Professor Daniel Zimmer überzeugt. SZ-Redakteur Lothar Warscheid sprach mit ihm am Rande eines Vortrags in Saarbrücken.

 Professor Daniel Zimmer von der Uni Bonn. Foto: Institut

Professor Daniel Zimmer von der Uni Bonn. Foto: Institut

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Sie plädieren für weniger politische Eingriffe in der Wirtschaft, ohne einem Nachtwächterstaat das Wort zu reden. Werden Ihre Ratschläge befolgt?

Zimmer: Der Einfluss Einzelner auf die Politik ist begrenzt. Es gibt aber auch Erfolge. Ein Beispiel dafür ist die Liberalisierung des Fernbus-Verkehrs. Die Monopolkommission hat unter meiner Mitwirkung diese Forderung lange Zeit erhoben. Im Jahr 2013 ist das Gesetz, das die Deutschen Bahn vor Konkurrenz abschirmen sollte, endlich abgeschafft worden. Wer lange Zeit bohrt, kann auch Erfolge erringen.

Sie hinterfragten das politische Postulat der sozialen Gerechtigkeit immer wieder kritisch. Was ist dagegen einzuwenden, dass es gerecht zugehen soll?

Zimmer: Das Problem mit der Gerechtigkeit ist, dass es keine objektiven Maßstäbe dafür gibt. Sehr häufig wird der Begriff anstelle einer Argumentation gebracht. Schon Ludwig Erhard , einer der Väter der Sozialen Marktwirtschaft, sagte, dass er den Begriff der Gerechtigkeit nur in Anführungszeichen gebraucht. Denn es wird mit keinem anderen Schlagwort ein größerer Missbrauch getrieben, weil die Sachargumente beiseitegeschoben werden und eine subjektive Bewertung an deren Stelle tritt.

Sie sind auch gegen den Mindestlohn zu Felde gezogen. Jetzt ist er Realität. Haben sich Ihre kritischen Anmerkungen bewahrheitet oder ist es doch anders gekommen?

Zimmer: Die Wirkung des Mindestlohns ist auch unter Wirtschaftswissenschaftlern umstritten. Aber im Grundsatz sind sie sich einig, dass bestimmte Beschäftigungsverhältnisse nicht zustande kommen, wenn es einen Mindestlohn gibt. Das ist dann der Fall, wenn die Produktivität nicht ausreicht, um den Mindestlohn zu finanzieren. Unabhängig davon halte ich diesen Eingriff in die Vertragsfreiheit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern für ungerechtfertigt. Man sperrt Menschen vom Arbeitsmarkt aus - auch solche, die gerne zu einem niedrigeren Lohn arbeiten würden. Kluge Politik interveniert nicht bei den Ergebnissen, bei Preisen und Löhnen. Sie versucht zunächst einmal, den Marktvorgang zuzulassen und verfolgt sozialpolitische Anliegen an anderer Stelle. Bei Vertragsfreiheit wird die Gesellschaft insgesamt reicher. Dadurch steht auch mehr Geld zur Umverteilung über ein ausgeklügeltes Steuer- und Sozialsystem zur Verfügung.

Es wird oft argumentiert, das ergänzende Transferleistungen eine Schande sind, weil die Menschen von ihrer Hände Arbeit nicht leben können. Wie sehen Sie das?

Zimmer: Das ist für mich ein ganz verkehrtes Denken. Den Transfer als Schande zu bezeichnen, heißt, dass diejenigen stigmatisiert werden, die diese Leistungen erhalten. Niemand sollte sich für einen Rechtsanspruch auf Arbeitslosengeld II schämen müssen und dafür, dass er diesen geltend macht. Das Steuer- und Sozialsystem soll die Vertragsfreiheit flankieren. Dann hat auch jeder die Möglichkeit, von seiner Hände Arbeit zu leben. Das ist zwar kein Leben in Luxus, aber immerhin die Grundlage für ein menschenwürdiges Dasein nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Auch die Mietpreisbremse ist ein Eingriff in die Vertragsfreiheit . Was halten Sie denn von diesem Instrument?

Zimmer: Wenn die erzielbaren Mieten begrenzt werden, sinken die Anreize, in den Mietwohnungsbau zu investieren. Dadurch steht weniger Wohnraum zur Verfügung. Das setzte einen Teufelskreis in Gang. Wenn nämlich weniger Angebot am Markt vorhanden ist, besteht eine noch größere Tendenz zu Mietpreissteigerungen. Es ist erneut der untaugliche Versuch, durch ein Herumfingern an Ergebnissen in den Markt einzugreifen. Kluge Politik würde diejenigen unterstützen, die sich die Marktpreise nicht leisten können. Dann würden auch ausreichend Wohnungen gebaut.

Zum Thema:

Zur Person Professor Daniel Zimmer ist Chef des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn. Bis März 2016 war er Vorsitzender der Monopolkommission. Er trat von diesem Posten aus Protest zurück. Grund war die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ) erteilte Ministererlaubnis, dass Edeka die Drogeriemarkt-Kette Kaiser's Tengelmann übernehmen darf. Das Bundeskartellamt hatte die Übernahme untersagt und auch die Monopolkommission hatte sie abgelehnt. red

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