Neuanfang bei den Gusswerken Saarbrücken Aufbruchstimmung mit Weihnachtsplätzchen

Saarbrücken · Der Neustart der Gusswerke Saarbrücken – ehemals Neue Halberg Guss – bringt viel Arbeit – und eine Premiere in den 261 Jahren Firmengeschichte.

 Gusswerke-Mitarbeiter Messina Calogero nimmt sich ein Plätzchen. Alle Beschäftigten bekommen später auch noch eine Plätzchentüte geschenkt.

Gusswerke-Mitarbeiter Messina Calogero nimmt sich ein Plätzchen. Alle Beschäftigten bekommen später auch noch eine Plätzchentüte geschenkt.

Foto: BeckerBredel

Ein langer Tisch mit selbst gebackenen Plätzchen, ein mit roten und silbernen Kugeln geschmückter Weihnachtsbaum, ein Bläserquartett, das „Stille Nacht“ intoniert – so etwas hat es in dem großen Aufenthaltsraum der Gusswerke Saarbrücken, wie die Brebacher Fabrik der früheren Neue Halberg Guss heute heißt, noch nicht gegeben. Erst recht nicht einen Chor aus Geschäftsführer, Betriebsratschef, Saarbrücker Oberbürgermeisterin und Halberger Bezirksbürgermeister, der „O du fröhliche“ anstimmt und die Belegschaft zum Mitsingen auffordert. – Was lange nicht so gut klappte, wie das Streiklied, das die „Halberger“ im Kampf gegen die Prevent-Gruppe sangen. In der Geschichte des Brebacher Unternehmens, „in 261 Jahren bis heute hatten wir noch nie eine Weihnachtsfeier, auf der alle eingeladen waren“, sagte Betriebsratschef Bernd Geier.

Diese Premiere hat hier Bedeutung nach dem elfmonatigen dramatischen Überlebenskampf mit dem früheren Eigentümer. „Die Weihnachtsfeier ist als Signal zu verstehen, welche Firmenkultur wir haben. Wir wollen die Leute mitnehmen“, sagte Frank Günther, einer der beiden Chefs der Beratungsgesellschaft One Square Advisors und Mitinhaber der neu gegründeten Avir Holding, zu der die Gusswerke Saarbrücken seit dem 7. Dezember gehören. „Ich glaube, der Weihnachtsbaum ist ein gutes Investment“, fügt er scherzend hinzu. Er zeigt sich beeindruckt von dem Zusammenhalt der Belegschaft in den vergangenen Monaten, von dieser Halberger Familie. Diese besondere Kultur gelte es zu pflegen und weiterzuentwickeln.

Aufbruchstimmung sei in der Belegschaft zu spüren nach der Befreiung von der Zukunftsangst unter Prevent, sagte Geier. Dazu trägt gewiss bei, dass der Stillstand in den Hallen vorbei ist. „Im Moment können wir uns über die Auslastung nicht beklagen. Wir fahren fast auf Vollbetrieb“, sagte Günther. Drei Schichten, eine Auslastung von 90 Prozent. 154 Lkw mit Gussteilen seien seit dem Neustart von den beiden Werken in Saarbrücken und Leipzig herausgegangen, allein 110 aus Brebach, erläuterte Gusswerke-Geschäftsführer Thomas Meichsner. Die übernommenen Stammkräfte, 1220 in Saarbrücken und 580 in Leipzig, werden derzeit alle gebraucht.

Dass die volle Belegschaft in der Zukunft vermutlich nicht zu halten sein wird, verschweigen die neuen Eigentümer nicht. „Zunächst richten wir unser Hauptaugenwerk darauf die Umsatzseite zu stabilisieren und die Kunden so für uns zu gewinnen, dass sie bei der Stange bleiben. Im Businessplan haben wir Lücken gegenüber der derzeitigen Auslastung. Wenn wir mehr Klarheit haben, werden wir uns die notwendigen Anpassungsschritte überlegen müssen“, was eben auch Personalabbau einschließt, beschrieb Günther das weitere Vorgehen. Dabei geht es aber um den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze. Und das gelingt am besten mit mehr Kunden und Aufträgen. Die Akquise habe begonnen, sagte Günther.

Gestern sollte noch ein weiterer Schritt nach vorn gemacht werden. Das Gutachten über die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sollte in Auftrag gegeben werden, sagte Günther. Es ist Voraussetzung für die Unterstützung des Neuanfangs durch das Saarland und den Bund im Volumen von 50 Millionen Euro, vor allem in Form von Bürgschaften. Hilfen, die Günther brauchen kann, um neue Produkte im Werk zu platzieren. „Man wird auch in Zukunft Gießereien brauchen, vielleicht nicht unbedingt nur für Dieselmotoren.“ Bange ist ihm angesichts der großen Aufgaben nicht. Und dass Prevent die Rückabwicklung des Verkaufs verlangt, scheint Günther nicht zu beeindrucken. „Wir haben eine motivierte Mannschaft, gute Produkte und Kunden, die das tragen.“ Das sei eine gute Basis für die Zukunft.

Patrick Selzer, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Saarbrücken, nutzte die Weihnachtsfeier für einen kämpferischen Appell an die Belegschaft: „Diese Kraft, den Zusammenhalt der Halberger Familie, diese Geschlossenheit, mit der wir die Vernichtung unserer Arbeitsplätze verhindert haben, lasst uns diese Kraft mitnehmen, die Zukunft gemeinsam zu gestalten.“ Dafür bekam Selzer Bravo-Rufe und kräftigen Beifall, wie man es auf Weihnachtsfeiern normalerweise nicht hört. Aber eine normale Weihnachtsfeier war es ja auch nicht.

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