Auf dem Seziertisch der großen Gefühle

Saarbrücken · Am Samstag hat Anton Dvoraks Oper „Rusalka“ im Saarländischen Staatstheater Premiere gefeiert. Eine mitreißende Aufführung unter der Regie von David Hermann, mit plastischen Figuren und packender Musik.

 Die Nixe im Küchenschrank: Susanne Braunsteffer (u.) als Titelfigur, Jane Irwin als Fürstin, Paul O'Neill als Prinz. Foto: Björn Hickmann

Die Nixe im Küchenschrank: Susanne Braunsteffer (u.) als Titelfigur, Jane Irwin als Fürstin, Paul O'Neill als Prinz. Foto: Björn Hickmann

Foto: Björn Hickmann

Salzburg steckte Rusalka ins Bordell. Zürich machte sie zur Natascha Kampusch. Frankfurt ließ sie unter Saurierskeletten wandeln. In Saarbrücken nun verzichtete David Hermann als Regisseur sowohl auf jede Exzentrik als auch auf die gewohnten Märchenattribute - was nicht jedem gefallen haben wird. Was aber diesen Abend so spannend machte, war der Wandel der Charaktere: Rusalkas tiefer Fall aus der Selbsttäuschung, hin zur Selbsterkenntnis - "Ich bin keine Frau, mich gebar das kalte Wasser." Die Reifung des Prinzen vom hormongetriebenen Jüngling zum wirklich Liebenden. Der Wandel des lüsternen Wassermanns zum unheilverkündenden Propheten.

Selbst bei der von Dvoraks ansonsten blass gezeichneten Fürstin ahnte man einen Umschwung von der bösen Fee zur verwirrten Frau, die dem Ansturm des Prinzen erliegt. Nur die Hexe Jezibaba wandelte sich nicht, sie changierte zwischen Dämonie, brummiger Zuneigung und einigem Sadismus.

Das Beste: Alle brachten die stimmliche Palette mit, damit die Zuschauer diese Entwicklungen voyeuristisch genießen konnten. Susanne Braunsteffer ging die dankbare Titelrolle mit schonungslosem Einsatz an und nutzte das ganz eigene Timbre ihrer Stimme. Paul O'Neill als Prinz gab mit ebenso warmem wie kernig-kraftvollem Tenor dem leicht entflammbaren Liebhaber mehr Charakter als im Libretto vorgegeben; die dramatischen Szenen mit Rusalka - das war große Oper mit Verdi-Feuer. Zumal man begriff, warum die beiden Liebenden sich nicht wie in konventionellen Inszenierungen gleich in die Arme fielen, sondern zunächst in quälender Distanz gehalten wurden.

Man ahnte: Das kann nicht gut gehen. So lag schon im Anfang das Ende. Jane Irwin beeindruckte als eifer- und rachsüchtige Fürstin sowohl stimmlich wie in ihrer Präsenz. Hiroshi Matsui überzeugte auch ohne Dekoration als geisterhafter Wassermann; jedem neuen Dialog mit Rusalka sah man mit Spannung entgegen. Judith Braun lieferte dank ihrer Klangvarianten das vielfarbige Psychogramm einer Hexe, bis hin zu ihren gutturalen Zaubersprüchen. Offenbar war auch das Bühnenbild (Ausstattung: Magdalena Gut), von dieser Konzeption geprägt: Auf der dunklen, ansonsten leeren Bühne sah man Inseln, durch Wasser getrennt. Ein packendes Bild für menschliche Beziehungen, zugleich ästhetisch schön, etwa wenn die Landschaft am stillstehenden Kahn vorbeizog. Selbst die zunächst bestürzend kahle Einbauküche im 2. Akt enthüllte sich gerade dank ihrer Sterilität als kontrastreicher Rahmen für die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen: eine Resopaltheke als Seziertisch der großen Gefühle.

Auch die kleineren Rollen waren gut besetzt: lebhaft spielend und gut singend Markus Jaursch und Melina Meschkat; knallbunt gewandet und stimmlich überzeugend waren Lisa Ströckens, Meschkat und Hannah Meyer als Elfen. Schade war aber, dass man den stimmungsvoll klingenden Chor (einstudiert von Jaume Miranda) nur aus der Ferne hörte. Dirigent Christopher Ward unterstützte die Sänger einfühlsam und nutzte gemeinsam mit dem gut aufgelegten Staatsorchester jede Nuance der Partitur für eine mitreißende Aufführung.

Weitere Termine: Morgen und Donnerstag; 5., 14., 20. und 25 Mai; 5. und 7. Juni; 3., 6. und 10. Juli. Karten unter

Tel. (06 81) 309 24 86 und

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