Metall-Tarifverhandlungen Arbeitgeber sehen noch große Differenzen mit Gewerkschaft

Die Tarifverhandlungen der Metall- und Elektro-Industrie gehen in die nächste Runde. Sowohl IG Metall als auch der Arbeitgeberverband haben ihre Forderungen und Angebote auf den Tisch gelegt. Die Gewerkschaft strebt ein Lohnplus von sechs Prozent an sowie das Recht auf zeitweise Absenkung der Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden mit Lohnausgleich für einzelne Beschäftigtengruppen. Die Arbeitgeber wiederum haben in der Verhandlungsrunde ein Angebot von 200 Euro von Januar bis März und dann eine Tarifverhöhung von zwei Prozent über zwölf Monate vorgelegt. Die Saarbrücker Zeitung sprach über die Verhandlungen mit Oswald Bubel, Präsident des Arbeitgeberverbandes ME Saar.

 Die IG Metall will ihren Mitgliedern eine freiere Arbeitszeitgestaltung ermöglichen.

Die IG Metall will ihren Mitgliedern eine freiere Arbeitszeitgestaltung ermöglichen.

Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Herr Bubel, die zweite Verhandlungsrunde ist gerade vorbei. Wie ist die Stimmung zwischen den Verhandlungspartnern?

BUBEL Die Stimmung ist sachlich, fair, und es ist ein korrektes Miteinander. Sie ist nicht polemisch, zynisch und auch nicht persönlich aggressiv geprägt.

Sie haben die Forderungen der IG Metall bereits im Vorfeld abgelehnt. Wie hat die Gewerkschaft Ihr Angebot aufgenommen.

 Oswald Bubel, Prasident des Arbeitgeberverbandes ME Saar

Oswald Bubel, Prasident des Arbeitgeberverbandes ME Saar

Foto: Robby Lorenz

BUBEL Sie hat es ebenfalls abgelehnt. Der Verhandlungsführer im Bezirk Mitte, Jörg Köhlinger, bezeichnete es als „kleines Paket“, aber kein gutes Angebot.

Ende des Jahres endet die Friedenspflicht. Rechnen Sie in dem Arbeitskampf mit Streiks?

BUBEL Es wird mit Sicherheit zu Streiks kommen. Wir sind schließlich sehr weit auseinander in unseren Angeboten.

Die Arbeitgeber haben sich im Vorfeld besonders intensiv gegen die Teilzeit-Forderung der Gewerkschaft ausgesprochen. Gibt es da Spielraum?

BUBEL Wir lehnen diese Forderung als Einzellösung ab. Im Kontext wäre sie möglich, wenn es im Gegenzug eine bezahlte Beweglichkeit nach oben gibt. Aktuell können wir mit 13 Prozent der Belegschaft Verträge machen, bei denen die Arbeitszeit bis zu 40 Stunden beträgt. Diese Begrenzung sollte weg. Wenn wir bei Teilzeit nach unten beweglich sein sollen, müssen wir die fehlende Arbeitszeit auch auf der anderen Seite ausgleichen können.

Und damit zu einer 40-Stunden-Woche zurückkehren?

BUBEL Nur auf Basis von Freiwilligkeit. Kein Arbeitnehmer soll gezwungen werden, länger zu arbeiten. Aber wenn Menschen länger arbeiten wollen – und die gibt es durchaus – wäre es sinnvoll, ihnen das auch zu ermöglichen.

Aber aus Sicht der Gewerkschaften ist damit auch der Missbrauch möglich, dass Arbeitnehmer genötigt werden, längere Arbeitszeiten zu akzeptieren. Können Sie diese Bedenken nachvollziehen?

BUBEL Ich halte diese Sicht für sehr kämpferisch. In Deutschland haben wir mehrere Bausteine, die für unseren Erfolg verantwortlich sind. Neben der mittelständischen Ausprägung der Wirtschaft und der dualen Ausbildung ist es auch das Mitbestimmungssystem, das uns hier stark macht. Und dieses Mitbestimmungssystem mit Betriebsräten und Aufsichtsratsbeteiligungen der Arbeitnehmer ist eine gute Möglichkeit, Missbrauch einzugrenzen.

Sie gehen also davon aus, dass die Mitarbeiter damit ausreichend geschützt sind?

BUBEL Falls es Missbrauch gibt, muss man eindeutig dagegen vorgehen. Aber unabhängig von solchen schwarzen Schafen gehe ich davon aus, dass die Mitbestimmung hinreichend gut ist, um eine korrekte Behandlung der Mitarbeiter zu gewährleisten.

Die Forderung der IG Metall nach mehr Teilzeitmöglichkeiten mit Rückkehrrecht gründet auch darauf, dass Mitarbeiter in Notlagen wie bei der Pflegebedürftigkeit von Angehörigen auch mal das Arbeitspensum reduzieren können müssen. Ist das nicht ein Punkt, bei dem Arbeitgeber auch flexibler werden müssen?

BUBEL Das sind sie doch heute schon häufig. Wenn Arbeitnehmer aus privaten Gründen für eine Zeit kürzer arbeiten wollen, dann gibt es dafür auch Lösungen. Ohne solches Engagement von Familienangehörigen, wäre es in unserem Staat auch herzlos und kalt. Wir sind auch dafür, diese Flexiblität zu schaffen. Aber die Leistung muss eben auch heißen, dass andere dann länger arbeiten können sollten.

Einen finanziellen Ausgleich bei solchen Teilzeitmodellen lehnen Sie aber strikt ab.

BUBEL Richtig. Wir halten ihn rechtlich auch nicht für haltbar. Es gibt ja jetzt schon Mitarbeiter, die vier Tage in der Woche arbeiten – also 28 Stunden – und die dafür eine entsprechend geringere Vergütung bekommen. Und dann kann es nicht sein, dass jetzt ein anderer seine Arbeitszeit genauso reduzieren kann und dafür einen Teilzeit-Ausgleich bekommt. Darin sehen wir eine diskriminierende Nicht-Gleichbehandlung.

Beim Entgelt sind Sie und die Gewerkschaft aber auch noch weit voneinander entfernt.

BUBEL Beim Entgelt gibt es immer zwei Interessen. Der Arbeitnehmer will nicht, dass sein Einkommen durch die Inflation ausgehöhlt wird, Unternehmer wiederum wollen wettbewerbsfähig bleiben. So verstehen wir unser Angebot von zwei Prozent. Es liegt über der Inflation von aktuell rund 1,8 Prozent und deutlich über den Produktivitätszuwachs der Metallindustrie von 0,9 Prozent, wie er im kommenden Jahr erwartet wird. Die Forderung der IG Metall, die zu Inflation und Produktivitätssteigerung auch noch eine Umverteilung anführt, bei der Arbeitgeber einfach so zur Kasse gebeten werden, halte ich in diesem Zusammenhang für unrealistisch. Schon gar, da ein Viertel der Metall-Betriebe im vergangenen Jahr keinen oder weniger als ein Prozent Gewinn gemacht haben.

Trotz dieser Haltung hat die Gewerkschaft in den vergangenen Jahren immer wieder recht hohe Abschlüsse erzielen können.

BUBEL Ich halte das für sehr bedenklich – auch im internationalen Vergleich. Wir zahlen bereits in der untersten Tarifgruppe 18 Euro. Im Schnitt liegen wir bei 43,10 Euro pro Stunde. Damit gehört Deutschland zu den teuersten Industrienationen. In Tschechien liegt der Stundenlohn 75 Prozent niedriger, in Polen sogar 80 Prozent. Da ist schon die Frage, was mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe ist. Und auch in Deutschland wird der Abstand zwischen den Branchen immer größer. Wenn dann Arbeitskräfte die Branche wechseln, weil sie ungelernt in der Metallindustrie besser bezahlt werden, entsteht schon ein Ungleichgewicht.

Sie haben die internationale Entwicklung angesprochen. Häufig ist ja auch von Abwanderungen der Unternehmen die Rede.

BUBEL So extrem sehe ich das nicht. Ein Unternehmen wird nicht gleich seinen Sitz verlegen. Es stellt sich aber schon die Frage, wo künftige Investitionen stattfinden. Ob ich hier produziere und exportiere, oder gleich in eine Niederlassung in einem anderen Land investiere, um den Markt von dort aus zu bedienen. Fakt ist: Aktuell finden die Investitionen in Deutschland nur noch auf Höhe der Abschreibungen statt. Das sollte uns schon beunruhigen. Denn in einer Welt, in der wir für Investoren attraktiv sein sollten – das gilt auch für uns hier im Saarland – sollten wir entsprechende Standortfaktoren wie Arbeitskosten nicht aus den Augen lassen.

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