Wirtschaft fordert Fachkräftepakt"Am Anfang waren Himmel und Erde"

Saarbrücken. Man darf sich nicht mit dem Ziel begnügen, dass jedem ausbildungsfähigen und ausbildungswilligen Jugendlichen eine Lehrstelle angeboten wird. Auch die Qualifizierung und das Potenzial der Fachkräfte müssen gesichert werden

Saarbrücken. Man darf sich nicht mit dem Ziel begnügen, dass jedem ausbildungsfähigen und ausbildungswilligen Jugendlichen eine Lehrstelle angeboten wird. Auch die Qualifizierung und das Potenzial der Fachkräfte müssen gesichert werden. Das ist der Kern von zwei Forderungskatalogen, die gestern die Handwerkskammer (HWK) sowie die Industrie- und Handelskammer (IHK) Saarland in die Öffentlichkeit getragen haben. Nach dem Ausbildungspakt, zu dem sich zahlreiche Organisationen im Land zusammengeschlossen hatten, um möglichst viele Lehrstellen anzuwerben, "muss ein Pakt für die Sicherung der Fachkräfte her", fordert HWK-Präsident Hans-Alois Kirf (Foto: SZ). Er soll die Aufgabe haben, "sämtliche Potenziale auf dem Ausbildungs- und Weiterbildungsmarkt für die Fachkräftesicherung zu erschließen".Die IHK wird noch konkreter: In einem Sechs-Punkte-Plan fordert sie unter anderem, dass "sich die Qualität an den Schulen weiter verbessert". Außerdem müsse sichergestellt sein, dass die Schüler "frühzeitig einen Überblick über geeignete Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung" erhalten. Darüber hinaus soll man "zusätzliche Ausbildungsgänge für eher praktisch begabte Jugendliche schaffen". Ferner müsse eine "Offensive für lebenslanges Lernen" angestoßen werden, damit die systematische Weiterbildung der Mitarbeiter sichergestellt wird. Außerdem will man erreichen, dass mehr Frauen für den Arbeitsmarkt gewonnen werden. Mit einem neuen Standort-Marketing sollen darüber hinaus "mehr Fachkräfte von außen ins Land geholt werden". Während die Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU), die ebenfalls beim Ausbildungspakt mitmacht, den Vorstoß als "gesellschafts- und sozialpolitisch richtig" begrüßt, sehen die Gewerkschaften die Initiative skeptisch. "Wir sind offen für Gespräche", sagt der Bezirksleiter Saar des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Eugen Roth. "Allerdings darf das keine Veranstaltung werden, die zum Ziel hat, die Statistik zu verschönern. Man muss sich schon mit den Problemen beschäftigen." Er stößt sich zum Beispiel an der IHK-Aussage, dass "etwa jeder siebte Jugendliche nicht ausbildungsreif ist". Oft sei der Anspruch an die schulische Vorbildung so hoch, dass Hauptschüler "kaum noch Chancen auf eine Lehrstelle haben". "Heute kann man ohne Abitur kaum noch Heizungsmonteur werden." Der Vorsitzende des Verbands der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen (VLW), Matthias Simmer, geht davon aus, dass schon viel gewonnen wäre, wenn an den Berufsschulen, den Fachoberschulen, beim Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) sowie beim Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) "die Fehlstunden auf Null gefahren würden". Es würden immer noch mehr als 80 Lehrer fehlen. Allein im BVJ und BGJ würden im Saarland fast 2200 Schüler auf eine spätere Berufsausbildung vorbereitet. Saarbrücken. Mit bundesweit 970 000 Betrieben, knapp fünf Millionen Arbeitnehmern und einem Jahres-Umsatz von 500 Milliarden Euro ist das Handwerk allgegenwärtig. Dennoch hat das Handwerk ein Problem, das der Präsident der Handwerkskammer des Saarlandes (HWK), Hans-Alois Kirf so beschreibt: "Das Handwerk wird vor allem bei Jugendlichen nicht richtig wahrgenommen." Um das zu ändern, startet ab morgen eine bundesweite Imagekampagne unter Federführung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Sie trägt den Slogan "Das Handwerk. Die Wirtschaftsmacht. Von nebenan." Die Kampagne ist über fünf Jahre angelegt, der Etat liegt bei 50 Millionen Euro. Betreut wird sie von der Hamburger Werbeagentur Scholz & Friends."Wir wollen nicht kleckern, sondern klotzen", sagt Kirf. Morgen soll der Werbefilm erstmals über die TV-Schirme flimmern. Der Spot zeigt, wie die Welt ohne Handwerk aussähe. Da lösen sich zunächst Tapeten von den Wänden, bald fallen Autos auf der Straße auseinander. Schließlich stürzen sogar die Häuser ein, und die Menschheit findet sich nackt in der Wildnis wieder. Dazu passt auch einer der Werbesprüche: "Am Anfang waren Himmel und Erde. Den ganzen Rest haben wir gemacht." Die Kampagne soll auch in Tageszeitungen und Jugendmagazinen laufen.Auch die Betriebe sollen Flagge zeigen, die blauen Plakate in ihre Schaufenster hängen und die Aufkleber auf ihre Autos kleben. Kirf ist von der positiven Wirkung schon jetzt überzeugt: "Sie wird Aufsehen erregen und Erfolg haben." Bisher habe es lediglich regional begrenzte Kampagnen der einzelnen Kammern gegeben. alMeinung

Es drängt die Zeit

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid Der Ausbildungspakt, zu dem sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Einrichtungen im Saarland zusammengeschlossen hatten, war mit Sicherheit ein Erfolg. Seit Jahren liegt das Saarland bei den Ausbildungsplatz-Zahlen bundesweit in einer Spitzenposition. Daher ist es logisch, wenn ein Nachfolge-Pakt geschlossen wird, der hilft, dem drohenden Facharbeiter-Mangel zu begegnen. Mit der Offensive der Kammern ist das Thema jetzt angestoßen. Das reicht allerdings bei weitem nicht. Das Vorhaben muss nun mit Leben erfüllt werden. Schulen, Verbände, Gewerkschaften und die Betriebe müssen eingebunden werden. Vor allem drängt die Zeit. Sonst wird der Fachkräfte-Mangel zur Wachstums- und Wohlstandsbremse.

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