Tarifverträge anerkannt Wird Ryanair eine ganz normale Airline?

Frankfurt · „Ryanair must change – Ryanair muss sich ändern“ – mit diesem Schlachtruf auf den Lippen haben im fast abgelaufenen Jahr Gewerkschaften europaweit mobil gemacht und den größten Billigflieger des Kontinents zu Zugeständnissen gebracht.

 Der eisenharte Sparkurs von Ryanair-Chef Michael O‘Leary wurde zuletzt ein wenig aufgeweicht.

Der eisenharte Sparkurs von Ryanair-Chef Michael O‘Leary wurde zuletzt ein wenig aufgeweicht.

Foto: dpa/Jasper Jacobs

Niedriglöhne, Leiharbeit, willkürliche Versetzungen, hartes Personalregiment und eine anti-gewerkschaftliche Grundhaltung gehörten lange zur DNA der 1985 im irischen Dublin gegründeten Airline. Von ihrem langjährigen Chef Michael O‘Leary stammt das Zitat, dass eher die Hölle zufrieren werde, als dass Ryanair mit Gewerkschaften verhandele.

In O‘Learys Hölle kann es nicht mehr allzu heiß sein, denn nach den Streiks der Piloten und Flugbegleiter in acht europäischen Märkten hat Ryanair bis zum Jahresende etliche Gewerkschaften anerkannt, Tarifverträge oder zumindest Eckpunkte vereinbart und sich bereitgefunden, Arbeitsverträge nach dem jeweils nationalen Recht abzuschließen. In vielen Fragen sind die neuen Bestimmungen für die Beschäftigten vorteilhafter als das bislang angewandte irische Recht.

In Deutschland, dem wichtigsten Wachstumsmarkt der Ryanair, haben sowohl Verdi für die Flugbegleiter als auch die Pilotengewerkschaft Cockpit (VC) Grundsatzvereinbarungen erreicht, die neben deutlichen Gehaltszuwächsen auch mehr Schutz bei Versetzungen oder Stationsschließungen versprechen. Zumindest bei den Piloten sind die Leiharbeitskonstruktionen abgeschafft, wie die VC bestätigt.

Wird Ryanair also zu einer ganz normalen Airline? Mit auskömmlich bis gut bezahlten Beschäftigten und ohne Sozial-Malus bei kritischen Konsumenten? Fast hat es den Anschein, doch in zahlreichen Details zeigt sich noch immer der eisenharte Sparwille, der die Airline groß gemacht hat. Das Vertrauen der Börse schwindet allerdings: Der Aktienkurs hat seit dem Höchststand im August 2017 trotz einer weiterhin starken Umsatzmarge von zuletzt 25 Prozent ein gutes Drittel nachgegeben.

Ein Grund dafür sind die höheren Personalkosten, die laut Ryanair schon im laufenden Geschäftsjahr um mehr als 180 Millionen Euro steigen dürften. „Aber es wird noch einiges hinzukommen, wenn in den kommenden Monaten weitere Tarifverträge mit Gewerkschaften abgeschlossen werden und Arbeitsverträge auf das jeweilige nationale Arbeitsrecht umgestellt werden“, warnt der Branchenexperte Daniel Roeska vom Analysehaus Bernstein. Den Nettogewinn von 1,45 Milliarden Euro aus dem abgelaufenen Jahr dürfte Europas größter Billigflieger nach seiner Einschätzung so schnell nicht mehr wiederholen können.

Die European Cockpit Association (ECA) schaut besonders misstrauisch nach Polen, wo Ryanair derzeit die Subgesellschaft Ryanair Sun mit 20 Flugzeugen und einem expliziten Leiharbeitermodell aufbaut. Die Arbeitsverträge der Piloten seien ein „abschreckendes Beispiel für alles, was in Europa mit Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen falsch läuft“, schimpft der scheidende ECA-Präsident Dirk Polloczek.

Auch in vermeintlichen Kleinigkeiten zeigt sich das Kostenbewusstsein bei Ryanair weiterhin. Nach eigenen Angaben hat sich das Unternehmen mit Vorkontrakten umfassend gegen steigende Ölpreise abgesichert und streitet mit der britischen Luftverkehrsaufsicht erbittert über die Frage, ob die von den Streiks betroffenen Passagiere Entschädigungen erhalten sollen oder nicht. „Dieser Streik ist nicht in unserem Verantwortungsbereich. Wenn er das wäre, gäbe es keinen Streik“, lautet dazu der Kommentar von Marketingchef Kenny Jacobs.

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