„Wir sehen uns vor Gericht“

Saarbrücken · Die Filmemacherin und Saarbrücker HBK-Professorin Sung-Hyung Cho („Full metal village“) hat eine Dokumentation über die Frauenfußball-WM 2011 gedreht. Die Dreharbeiten zu „11 Freundinnen“ waren schwierig: DFB und Fifa hatten eigene Vorstellungen, wie der Film aussehen soll, sagt Cho.

 Regisseurin Sung-Hyung Cho bei den Dreharbeiten. Foto: Pandora

Regisseurin Sung-Hyung Cho bei den Dreharbeiten. Foto: Pandora

Foto: Pandora

"Ich hatte ja keinen Schimmer", sagt Sung-Hyung Cho. Weder vom Kontrollwahn des Deutschen Fußballbunds (DFB), der Abwehrhaltung des Weltfußballverbands Fifa noch der Skepsis der Menschen, die sie porträtiert hat. "11 Freundinnen" heißt ihr Film, der vor dem Hintergrund der Frauenfußball-WM 2011 die deutschen Spielerinnen porträtiert - zwischen Training und Berufsleben, zwischen Angst vor Verletzungen und der Hoffnung auf den großen Sieg (die sich dann nicht erfüllte).

Die Dokumentation ist, anders als Chos gefeiertes Debüt "Full metal village" über das Rockfestival in Wacken, eine Auftragsarbeit. Die Anfrage eines Produzenten interessierte die Filmemacherin und Professorin an der Kunsthochschule Saar wenig; aber das erste Spiel der Mannschaft, das sich Cho, 1966 in Südkorea geboren, testweise anschaute, war ausgerechnet das gegen Nordkorea 2010. "Vielleicht ein Zeichen, in jedem Fall eine Initialzündung." Denn die deutschen Spielerinnen, etwa die Saarbrückerin Dzsenifer Marozsán, seien "ganz eigene, unverwechselbare Typen. Die Nordkoreanerinnen dagegen sahen alle gleich aus - sogar für mich."

Cho begann mit der heiklen Diplomatie in der Welt des Profisports: Sie musste ersteinmal den DFB und die Bundestrainerin Silvia Neid für ihre Idee gewinnen und noch ein Konkurrenz-Team der ARD, das auch einen Film drehen wollte, mit ihrem Konzept ausstechen. Das dauerte, denn die Wege beim DFB sind lang. "Manchmal wusste keiner, wer wofür zuständig ist. Jeder hat Angst, etwas Neues zu machen, einen Fehler zu riskieren. Ich hätte nicht gedacht, dass das so schwer sein würde." Schwer war auch der Kontakt zu den Spielerinnen. Die Angst vor den öden Interviewfloskeln wie bei den männlichen Spielern hatte Cho nicht, "die Frauen sind da nicht so schlimm"; aber generell seien Leistungssportler äußerst vorsichtig mit jedem Wort. Angesichts der Medien versteht Cho das, aber die Arbeit leichter machte es nicht. "Die Auswahl der Spielerinnen, die sich im Film äußern, wurde immer kleiner." Birgit Prinz etwa wollte gar nicht im Film auftauchen. Bis zuletzt, sagt Cho, hätten viele Spielerinnen die Regisseurin als Teil des Medienzirkus gesehen.

Dabei ging es Cho nicht um einen Turnier- oder Fanfilm, sondern "um Frauen, die neben dem Sport arbeiten gehen, um Frauen in der letzten Domäne der Männer", denen es besser gehe. "Jemand wie Mario Götze verdient an einem Tag mehr als eine Spielerin im Jahr."

Dass der DFB an diesem Thema wenig Interesse hatte, spürte Cho spätestens beim Erstellen der kürzeren TV-Fassung für den Co-Produzenten ZDF, auf die sie keinen Einfluss hatte. Auf Wunsch des DFB seien etwa Bilder einer sehr energischen Trainerin Neid oder von einer Spielerin, die abends noch die Kabine schrubbt, herausgeflogen. "In der Langfassung ist jetzt alles drin, was dem DFB nicht gefiel", sagt Cho, die dem Verband zwischendurch mit "Wir sehen uns vor Gericht" gedroht habe.

Die Kurzfassung lief bereits im Fernsehen, zu nachtschlafender Zeit, "ich bin sehr froh, dass die das so versendet haben". Die Wogen hätten sich mittlerweile geglättet, nur dem Weltfußballverband Fifa grollt Cho noch, für sie die "dunkle Seite des Fußballs". Bilder aus Spielen musste man dem Verband abkaufen, erst beim zweiten Spiel der WM hätte man überhaupt eine Akkreditierung erhalten. Dass Fifa-Präsident Joseph Blatter einmal verkündete, "Die Zukunft des Fußballs ist weiblich", ist für Cho nur ein Lippenbekenntnis. "Die Fifa hat uns mehr behindert als unterstützt."

Aller Widrigkeiten zum Trotz ist Cho glücklich mit ihrer Arbeit, auch wenn sie sich ein längeres Verbleiben im Turnier gewünscht hätte - auch für die Dramaturgie des Films. "Als die Mannschaft in der Vorrunde gegen Japan verlor, habe ich auch geheult." Wie sieht sie die Situation des Frauenfußballs heute? "Der künstliche Boom ist vorbei. Die Blase ist zerplatzt - es war wie ein kurzer Sommmernachtstraum."

"11 Freundinnen" läuft in der Camera Zwo (Sb).

Zum Thema:

Auf einen BlickMorgen neu starten das Krimidrama "The place beyond the pines" mit Ryan Gosling, der Gefängnisfilm "Tango libre" und "Die wilde Zeit" über die Revolution der 70er Jahre (alle in der Camera Zwo). Das Saarbrücker Filmhaus zeigt die Integrations-Doku "Werden Sie Deutscher" und "Berberian Sound Studio" über die albtraumhaften Erlebnisse eines englischen Tontechnikers, der in Rom an einem Horrorfilm arbeitet. redTermine und Kritiken morgen im treff.region.

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