"Wir haben das Kehrmonopol geknackt"

Neunkirchen. Saarland-Premiere in Neunkirchen-Wellesweiler. Der Kamin von Verena Peich wird nicht vom zuständigen Bezirksschornsteinfeger gereinigt. Die Firma Prop' Ramonage Tubage des Lothringers Werner Saling erledigt die Arbeit. Salings Angestellter, Harald Thomas, steht mit Seil, Besen und Kugel auf dem Kamin und reckt wie ein Olympiasieger die Arme

Neunkirchen. Saarland-Premiere in Neunkirchen-Wellesweiler. Der Kamin von Verena Peich wird nicht vom zuständigen Bezirksschornsteinfeger gereinigt. Die Firma Prop' Ramonage Tubage des Lothringers Werner Saling erledigt die Arbeit. Salings Angestellter, Harald Thomas, steht mit Seil, Besen und Kugel auf dem Kamin und reckt wie ein Olympiasieger die Arme. Von unten beobachten ihn einige Aktivisten der Interessengemeinschaft gegen das Schornsteinfegermonopol. Erleichterung und Stolz ist zu spüren. "Wir haben das Kehrmonopol geknackt", sagt Heinz-Leo Laturell, Sprecher der Initiative, zufrieden. Die Bürger können jetzt wählen und statt des Bezirksschornsteinfegers einen im EU-Ausland ansässigen Betrieb beauftragen.Nach altem, 1935 eingeführtem Recht wäre dies unmöglich gewesen. Die Schornsteinfeger hatten ihren Kehrbezirk und mussten bis zur Rente keine Konkurrenz fürchten. Denn ihre Kunden, die Hauseigentümer, hatten keine Wahl.

"Das große Nein"

Seit mehr als zehn Jahren war die Interessengemeinschaft gegen dieses Kehrmonopol im Namen der Wettbewerbsfreiheit Sturm gelaufen. Schließlich stellte sich die EU-Kommission auf ihre Seite und eröffnete 2002 ein Verfahren gegen Deutschland. Die fällige Gesetzesänderung trat Ende November 2008 in Kraft. Sie gewährt der Zunft zwar Übergangsfristen bis Ende 2012, danach beginnt aber die Zeit eines weitgehend freien Wettbewerbs. Schon jetzt dürfen EU-Ausländer mit entsprechender Qualifikation hier Schornsteine kehren.Trotz der Gesetzesänderung hatte Werner Saling, Schornsteinfeger aus Hombourg-Haut, nicht gleich loslegen dürfen. Die saarländische Handwerkskammer verlangte von ihm einen Qualifikationsnachweis. Dass "ich seit 25 Jahren in Frankreich gefegt und dort knapp 10 000 Kunden habe", genügte der Kammer nicht, sagt der 58-Jährige. Wieder hörte er "das große Nein", wie schon 1990, als er das erste Mal um eine Kehr-Erlaubnis nachgesucht hatte. "Er sollte einen Nachweis über seine Berufsausbildung erbringen, das konnte er nicht", sagt Harald Becken, Landesinnungsmeister der saarländischen Schornsteinfeger.

Erlaubnis aus Freiburg

Jetzt hat Saling die saarländische Kammer umgangen. Er stellte mit Harald Thomas einen deutschen Schornsteinfegermeister ein und bekam über die Handwerkskammer Freiburg die Zulassung. "Werner Saling wäre auch von uns anerkannt worden", wenn er gleich einen deutschen Schornsteinfegermeister angestellt hätte, heißt es bei der Handwerkskammer Saarland heute.Der Lothringer arbeitet mit der Freie Schornsteinfeger GmbH mit Sitz in Mengen bei Sigmaringen zusammen. Geschäftsführer Wolfgang Frei vermittelt an deutsche Kunden Dienstleistungen von Schornsteinfeger-Betrieben aus dem EU-Ausland. Er habe Partnerfirmen in Österreich und der Schweiz und mit Werner Saling auch in Frankreich. Kehrdienste biete er derzeit schwerpunktmäßig in Berlin, dem Raum Köln und in Baden-Württemberg an. Mit rund 1500 Kunden habe er bereits Verträge. Er rechnet damit, dass im kommenden Jahr 500 bis 1000 Saarländer die Dienste von Werner Saling in Anspruch nehmen werden. Frei wirbt damit, dass er das Kehren sowie die Abgasmessungen zu zehn bis 30 Prozent niedrigeren Preisen als die Bezirksschornsteinfeger anbieten kann. "Günstiger sind wir auf jeden Fall."

Meinung

Endlich Wettbewerb

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Die Bastion der Schornsteinfeger hat 70 Jahre lang gehalten. Warum Wettbewerb untersagt wurde, bleibt ein Geheimnis des Gesetzgebers. Die schwarze Zunft hat sich mächtig gegen Veränderungen gesträubt, lange erfolgreich - bis die EU eingriff. Die fehlende Wahlfreiheit hatte Widerstand provoziert. Die Einschränkung mussten unzufriedene Kunden als Willkür empfinden, vor allem, wenn sie mit ihren Beschwerden kein Gehör fanden. Es gab und gibt viel böses Blut. Schornsteinfegergegner und Vertreter der Zunft sind sich nach wie vor spinnefeind. Dazu trug bei, dass mögliche Konkurrenten auch nach der Gesetzesänderung vor hohen bürokratischen Hürden standen.

Die etablierten Schornsteinfeger tun gut daran, ihre Kollegen aus dem Ausland nicht weiter zu blockieren. 2013 kommt der Wettbewerb ja auf jeden Fall. Es ist besser, sich jetzt schon darauf einzustellen und mehr die Kunden in den Blick zu nehmen als weiter gegen den Geist der EU-Verordnung zu agieren. Dann wird sich auch der Konflikt mit den Schornsteinfegergegnern schnell auflösen.

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