„Wir gehen Schritt für Schritt“

Petite-Rosselle · Nur wenige Kilometer von Völklingen entfernt, auf dem Gelände der einstigen Grube Wendel tut sich einiges. Zwei Museen gibt es bereits, nun sollen Privat-Investoren den „Parc Explor“ weiterentwickeln. Ein Blick über die saarländische Grenze nach Petite-Rosselle.

 Beleuchtet und belebt: So oder so ähnlich wie in dieser Simulation soll er mal aussehen, der „Parc Explor Wendel“. Fotos: Parc Explor Wendel

Beleuchtet und belebt: So oder so ähnlich wie in dieser Simulation soll er mal aussehen, der „Parc Explor Wendel“. Fotos: Parc Explor Wendel

Es gibt Menschen, deren Begeisterungsfähigkeit ansteckt. Gérard Bruck ist so jemand. Wenn der Präsident des Zweckverbands Carreau Wendel über die Zukunftspläne für das Gelände rund um das 1986 stillgelegte Steinkohlebergwerk spricht, hat man sofort Zeitraffer-Film vor dem geistigen Auge: Baukräne rasen hin und her, es wird gehämmert, geschraubt, gepflanzt, in Windeseile verwandeln sich halb verrostete Industriehallen in hippe Büro-Trakte und unansehnliche Erdflächen in blühende Gärten. Man hört Bruck gerne zu, wenn er die erhoffte Wandlung der einstigen Gruben-Brache nahe Petite-Rosselle in einen gigantischen Kultur-, Freizeit-, Wirtschafts- und Tourismus-Magneten in schillernden Farben ausmalt. Und doch weiß man - ebenso wie der 54-Jährige selbst: Noch sind es Träume.

Nicht ohne Grund heißt das neue Entwicklungs-Projekt für das Gelände mit den 12 Gebäuden "Métamorphose". Es geht um langsame Veränderungen, die Jahre, ja Jahrzehnte in Anspruch nehmen können. Doch für Bruck ist entscheidender: "Wir haben eine klare Vision, die auch die Politik unterstützt, alle ziehen hier an einem Strang." Ein bemerkenswerter Kontrast zum Saarland, wo in Sachen "Erbe"-Ausstellung und "Saarländische Bergbaustraße" alles andere als Einigkeit unter den Akteuren herrscht, was Strategien und Konzepte angeht.

Es ist erstaunlich: Da steht jenseits der Grenze, nur wenige Kilometer von Völklingen entfernt, ein riesiger Industriekultur-Komplex, der als Sehenswürdigkeit dem Weltkulturerbe in nichts nachsteht. Doch hat man den Eindruck, der "Parc Explor Wendel" ist im Saarland kaum bekannt.

Dabei begann man hier bereits um die Jahrtausend-Wende mit der kulturellen Umnutzung: Erst wurde eine Aufbereitungshalle zur Eventhalle mit 700 Plätzen umgestaltet (Kosten: 3,5 Millionen Euro), bevor 2006 das Schaubergwerk "La Mine" (5 Millionen Euro) seine Tore öffnete. 2012 dann die Eröffnung des Bergarbeiter-Museums "Les Mineurs Wendel" (4,2 Millionen Euro) - der (vorerst) letzte museale Streich. Denn jetzt stehe man vor einem Strategiewandel, sagt Bruck. 400 000 Euro investierte der Zweckverband in eine Studie, die Möglichkeiten privatwirtschaftlicher Nutzung des Geländes ausarbeiten sollte. Mehrere Szenarien wurden durchgespielt und verworfen, eine davon: die Ansiedlung eines Freizeitparks. "Doch das hätte nicht gepasst", sagt Bruck.

Stattdessen entschied man sich für die "Métamorphose". Die Grundidee: Gelände und Gebäude werden mit öffentlichen Geldern weiterentwickelt und in saniertem Zustand in die Hand von privaten Investoren gegeben, die dann für ihre Belebung sorgen. Bereits im vergangenen Jahr wurden daher per Eilmaßnahme zunächst alle gefährdeten Gebäude vor Zerfall geschützt. 700 000 Euro kostete das. "So haben wir etwa 20 Jahre gewonnen", sagt Bruck. Daraufhin schrieb der Verband einen Architekten- und Städteplaner-Wettbewerb aus, dessen Bewerbungsfrist in diesen Tagen endet. Ab Sommer dieses Jahres soll das Sieger-Büro mit einem Etat von 2,5 Millionen Euro das noch kahle Gelände begrünen und in einen Park mit Wohlfühl-Faktor ("Esplanade") verwandeln. Dasselbe Büro entwickelt dann auch ein detailliertes Leitbild für die weitere Entwicklung.

Klar ist schon jetzt, dass 2015 eine ehemalige Lagerhalle an der Reihe ist. Sie soll künftig ein Restaurant in einem Teil und ein Kompetenzzentrum für Denkmalpflege im anderen Teil beheimaten. Parallel dazu beginnen die Planungen für eine Gartenschau. Sie soll Publikum nach Petite-Rosselle locken, den Park bekannter machen. Mittelfristig geht es dann mit der Umwandlung einer alten Fördermaschinen-Halle in ein Hotel und der Ansiedlung von Bürokomplexen auf einer Freifläche weiter. Das alles sind fraglos große Pläne, das Gesamt-Investitionsvolumen beläuft sich auf einen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrag. Ob das klappt? "Wenn die Finanzkrise irgendwann endet - warum nicht", sagt Bruck.

Unter den Bergarbeitern, die zur Hochzeit der Grube Wendel in den 60er- und 70er-Jahren einfuhren, waren Hunderte Saarländer; die Grube selbst steht wie kaum eine andere für grenzübergreifende Regionalgeschichte; und der "Parc Explor" ist ein industriekulturelles Vorzeige-Projekt par excellence: Es stellt sich die Frage, warum das Saarland und Lothringen hier nicht in einen gemeinsamen, touristisch attraktiven Bergbau-Erinnerungsort investieren. Bruck verweist auf den Diskussionsprozess, den man im Saarland derzeit beobachten könne. Der sei notwendig, ähnliche Kontroversen über Standorte und Kosten der kulturellen Umnutzung der Gruben habe es in Lothringen auch gegeben, nur eben früher, da die Kohle-Ära bereits 2004 endete. Auch sei es leichter gewesen, sich auf die mit Abstand größte Grube in Lothringen als zentralen Bergbau-Erinnerungsort zu einigen. Doch Bruck macht auch deutlich: "Wir können uns eine starke Partnerschaft mit dem Saarland nur wünschen. Wir haben hier genug Gebäude, um auch die saarländische Bergbaugeschichte darzustellen." Der saarländische EU-Abgeordnete Jo Leinen (SPD) hat sich erneut für die Einrichtung eines "Europäischen Zentrums der Industriekultur" ausgesprochen. Es sei an der Zeit für ein "Gemeinschafts-Unternehmen", sagte Leinen. Lothringen und das Saarland müssten ihre "Potenziale zusammenlegen", um bei der Industriekultur überregionale Strahlkraft zu entwickeln. Konkret schlägt Leinen vor, Industrieerbe-Stätten wie das Carreau Wendel und die Völklinger Hütte in binationaler Trägerschaft unter einem Dach zu vereinen. Als Rechts-Grundlage stehe dafür das Instrument eines "Europäischen Verbunds für territoriale Zusammenarbeit" (EVTZ) zur Verfügung.

Auch Weltkulturerbe-Chef Meinrad Maria Grewenig forderte mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Industriekultur: "Die Idee einer saarländischen Bergbaustraße ist im Grundsatz gut, aber viel zu wenig", sagte er.

Das saarländische Wirtschaftsministerium zeigte sich offen. Es spreche grundsätzlich nichts gegen grenzüberschreitende Trägerschaften, wenn sich entsprechende Partner finden ließen, sagte Ministeriumssprecher Wolfgang Kerkhoff. Oft brauche man dafür aber einen langen Atem. Kerkhoff verweist darauf, dass das Musée Les Mineurs Station der geplanten "Saarländischen Bergbaustraße" werde.

 So sieht der Park heute aus: Rechts vom Parkplatz steht das Bergbaumuseum, ganz hinten ragt rot das Schaubergwerk in die Höhe.

So sieht der Park heute aus: Rechts vom Parkplatz steht das Bergbaumuseum, ganz hinten ragt rot das Schaubergwerk in die Höhe.

 Jo Leinen

Jo Leinen

 Gérard Bruck

Gérard Bruck

Zum Thema:

Auf einen BlickNeben der Dauerausstellung bietet das Museum "Les Mineurs Wendel" 2014 verschiedene Sonder-Veranstaltungen an. Darunter: die Ausstellung "Bergarbeiter-Gärten" (26.4.-31.10.); "Europäische Nacht der Museen" (17.5.), "Fête de la Musique" (21.6.) und die Aufführung "Schwarzes Gold" des Vereins "Les enfants du charbon" (22., 23., 28.-30.8.). jkl musee-les.mineurs.fr

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