"Wir befinden uns im Jahr vier der Krise"

Herr Steinbrück, Sie haben sich in Ihrer Amtszeit den Ruf des "Sparministers" erworben. Was ist zu tun, um den Haushalt, der durch die Finanzkrise stark belastet worden ist, weiter zu konsolidieren?Steinbrück: Zunächst einmal wirkt die Schuldenbremse, die wir im Grundgesetz verankert haben

Herr Steinbrück, Sie haben sich in Ihrer Amtszeit den Ruf des "Sparministers" erworben. Was ist zu tun, um den Haushalt, der durch die Finanzkrise stark belastet worden ist, weiter zu konsolidieren?Steinbrück: Zunächst einmal wirkt die Schuldenbremse, die wir im Grundgesetz verankert haben. Welche Schlussfolgerungen Herr Schäuble daraus auf der Einnahmen- und Ausgabenseite zieht, liegt in seiner Verantwortung. Ich sehe, dass sich einige Beschlüsse vom Sommer auf der Einnahmenseite als ziemliche Luftbuchungen herausgestellt haben, bei denen das Kabinett bereits wieder Korrekturen durchgeführt hat. Welches Potenzial zur Konsolidierung würden Sie sehen?Steinbrück: Ich würde aber allemal an die Subventionen gehen. Und ich würde mir genau anschauen, ob das Geld für die Familienförderung nicht effizienter eingesetzt werden kann, bevor ich es weiter erhöhe und damit den Haushalt belaste. Ich würde auf jeden Fall auf Steuermindereinnahmen verzichten - das heißt, ich würde endlich Abstand nehmen von dem regelmäßig immer wieder auftretenden Gesäusel über Steuersenkungen, die dieser Staatshaushalt nicht verträgt. Nun wächst Deutschland wieder mit 3,3 Prozent, die aktuelle Steuerschätzung verspricht deutliche Mehreinnahmen. Haben wir die Krise hinter uns?Steinbrück: Wir befinden uns im Jahr vier der Krise. Richtig ist aber, dass wir glimpflicher durch diese Krise gekommen sind als erwartet. Das hat mit vielen Faktoren zu tun, sei es eine Agenda 2010, sei es das Bankenkrisenmanagement und die Konjunkturprogramme der Großen Koalition. Jedenfalls waren es keine Verdienste der jetzigen Bundesregierung. Auch die Gewerkschaften haben ihren Beitrag geleistet. Das Kurzarbeitergeld ist sehr erfolgreich gewesen. Und die deutschen Unternehmen haben enorme interne Strukturverbesserungen erreicht. Ob die Ungleichgewichte innerhalb der Euro-Zone und innerhalb Europas, die erneute Blasenbildungen jedenfalls auf asiatischen Märkten und nach wie vor die Unterkapitalisierung in den Bankenbilanzen noch mal durchschlagen werden, weiß ich nicht. Umso wichtiger ist es, Maßnahmen zu ergreifen, dass es nicht wieder dazu kommt.Die Einigkeit der Länder weltweit, Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte zu ergreifen, ist nach dem Höhepunkt der Krise aber schnell wieder gebröckelt.Steinbrück: Das stimmt. Aber ich möchte auch dem Eindruck entgegenwirken, es sei gar nichts passiert. Wir debattieren Basel III, die EU-Kommission hat deutliche Fortschritte gemacht, was die Registrierung von Hedge-Fonds und Private-Equity-Fonds betrifft, wir können Verbesserungen bei der europäischen Bankenaufsicht feststellen. Und in den USA sind durch Obamas Gesetzgebung Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, die ich nicht unterschätzen würde. Die Frage ist nur, ob es hinreichend ist, um eine Krise dieser Dimension zu verhindern. In einer rein nationalstaatlichen Reichweite jedenfalls kann die Politik wenig bewirken. Das geht nur auf internationaler und supranationaler Ebene. Was steht Ihrer Meinung nach bei der Finanzmarktregulierung noch auf der Agenda?Steinbrück: Man wird insbesondere das Schattenbankenwesen trockenlegen müssen. Also all die Geschäfte, die außerhalb der Bilanzen geführt werden, müssen transparent werden. Insbesondere muss der Umgang mit Derivaten und Zertifikaten auf transparente Handelsplattformen gelegt werden.Ein Krisenfaktor war die Exportlastigkeit der deutschen Wirtschaft. Was ist zu tun, um die Binnenkonjunktur zu stärken?Steinbrück: Wichtige Protagonisten, auch dieser Regierung, haben den Erkenntnisfortschritt vollzogen, dass Spielräume für höhere Lohnabschlüsse bestehen. Vielleicht kann man sich darauf einigen, dass die Lohnabschlüsse den Produktivitätsfortschritt plus Inflationsausgleich widerspiegeln müssen. Mit solchen Lohnerhöhungen erhöht sich die private Kaufkraft. Außerdem sollte das Thema Mindestlohn auch unter dem Aspekt diskutiert werden, dass damit die Massenkaufkraft steigen würde.

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