Wieso Nofretete auf einmal schielt

Berlin · Wie wird eigentlich Kunst gemacht? Durch das Publikum oder den Künstler? Mit diesen Fragen und mit Nofretete beschäftigt sich eine hintergründige Schau im neuen Ägyptischen Museum in München.

 Als Teil der Massenkultur ist auch Nofretete nicht vor Schabernack gefeit: Hans-Peter Feldmann schuf eine neue Büste. Foto: SMAEK

Als Teil der Massenkultur ist auch Nofretete nicht vor Schabernack gefeit: Hans-Peter Feldmann schuf eine neue Büste. Foto: SMAEK

Foto: SMAEK

"Die Schöne ist gekommen" - das bedeutet der Name "Neferet-iti" oder, wie in Deutschland üblich, "Nofretete". Die ägyptische Königin bleibt mit ihrem Kultbild weiterhin Hauptattraktion im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel. Aber ein wenig ist die Schöne vom Nil derzeit auch in München anwesend in der Ausstellung: "Nofretete - têtê-à-têtê" (von Angesicht zu Angesicht).

Mit dieser ersten Schau in dem vor einem Jahr eröffneten Neubau werden die Besucher auf eine Art Suchspiel geschickt. Auf den ersten Blick fällt es kaum auf, dass sich neben dem Kopf einer ägyptischen Priester-Statue ein Kopf von Giacometti versteckt, unter den gemalten Mumien-Porträts ein Selbstbildnis von Paula Modersohn-Becker hängt und neben einer ägyptischen Würfelfigur eine Skulptur von Mahmoud Mokhtar die geschlossene Harmonie ägyptischer Kunst nachahmt. Dieser ägyptische Künstler gilt in seiner Heimat als Vater der modernen Bildhauerkunst, studierte unter anderem in Paris. Im Westen ist er allerdings fast unbekannt. Und dass Giacometti und Paula Modersohn-Becker sich mit altägyptischer Kunst auseinandersetzten und inspirieren ließen, wissen auch nur Kenner.

Wert steigt durch Ausstellung

Im Vordergrund steht nun die Frage, wie Kunst gemacht wird - durch Einflüsse, die der Künstler in sein Werk aufnimmt, durch Museen, die Objekte versichern und ausstellen, und schließlich durch das Publikum, das Kunstwerke auch außerhalb des musealen Raumes wahrnimmt.

Wer definiert eigentlich, was Kunst ist und wie viel sie wert ist? Die Ausstellung konfrontiert mit Künstlern aus dem arabischen Raum, die hierzulande unbekannt sind, und mischt darunter Objekte von international renommierten Kollegen wie etwa eine Keramik-Vase, bearbeitet von Ai Weiwei. Diese erfährt allein dadurch eine Steigerung der Versicherungssumme, dass sie auf einer zweijährigen Ausstellungs-Tournee gezeigt wird: Der Wert eines Objektes steigt, sobald es in einem Museum gezeigt wird.

"Wo sind die Mumien?", so lautet die Standard-Frage von allen Besuchern, die sich ein Ägyptisches Museum ansehen.

Mumien sind tabu

Ihr begegnet Vik Muniz aus Sao Paolo mit Ironie, indem er einen Tupperware-Sarkophag zeigt, während die Museums-Direktorin Sylvia Schoske auf einer Schautafel ihr "Mumien-Tabu" erläutert, weil jede Zurschaustellung eines Leichnams im Alten Ägypten gleichbedeutend war mit dessen Verdammnis (ein durchaus ernstgemeinter Kommentar zu den "Körperwelten" eines Gunther von Hagens, derzeit im Münchner Olympiazentrum).

Dass Nofretete auch für Werbezwecke missbraucht wurde und weiter dazu missbraucht wird, beweisen Nähmaschinen aus Ägypten mit Aufklebern der Königin und Plakate einer Berliner Zeitung. Kult lässt sich eben auch gut vermarkten.

Humoriger Abschluss der Schau, kuratiert von dem Libanesen Sam Bardaouil und dem Münchner Till Fellrath, ist eine Nachbildung von Nofretete: Hans-Peter Feldmann hat den Gips-Kopf nicht nur geschminkt, sondern lässt die Königin - Symbol für erhabene Schönheit - auch noch schielen. Doch so ist das: Wer einmal in den Kunst-Kanon eingegangen ist, kann sich eben gegen nichts mehr wehren.

Bis zum 7.9. im Museum Ägyptischer Kunst in München. Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, dienstags bis 20 Uhr. Weitere Informationen unter Tel. (0 89) 28 92 76 30 oder unter www.smaek.de

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